- Das Bundesgericht hat die Beschwerde einer 2014 von Brig VS nach Italien zurückgeführten syrischen Flüchtlingsfamilie teilweise gutgeheissen.
- Die Schweizer Grenzwache verweigerte der damals schwangeren und an Schmerzen leidenden Frau medizinische Hilfe.
- Dem Mann wird nun als direkt Betroffener ebenfalls eine Genugtuung zugesprochen.
Die Ehefrau war damals in der 27. Woche schwanger und litt bei der Ankunft in Brig an zunehmenden Schmerzen. Die Grenzwächter zogen trotz mehrfacher Aufforderung durch den Ehemann keine medizinische Hilfe bei. Nach der Ankunft der Familie in Italien wurde im Spital der Tod des ungeborenen Kindes festgestellt.
Die Familie lebte danach rund zwei Jahre in Italien, bis die Frau mit den Kindern 2016 nach Deutschland reisen und dort bleiben konnte. Der Mann konnte 2021 nachreisen. Das Eidgenössische Finanzdepartement wies 2021 ein Gesuch der Familie um Genugtuung und Schadenersatz ab. Auf ihre Klage hin sprach das Bundesverwaltungsgericht der Frau 12'000 Franken Genugtuung zu.
Das Bundesgericht hat eine Beschwerde der Familie in einem am Freitag veröffentlichten Urteil teilweise gutgeheissen. Es hat dem Ehemann ebenfalls eine Genugtuung zugesprochen. Sie beträgt 1000 Franken.
Hilflos und ohnmächtig
Der Mann sei ebenfalls als direkt Betroffener der Ereignisse in Brig zu erachten, schreibt das Gericht. Er habe mehrere Stunden zusehen müssen, wie seiner Frau keine Hilfe gewährt worden sei. Seine Bemühungen um Unterstützung durch die Grenzwächter seien wirkungslos geblieben.
Wie dem Urteil zu entnehmen ist, musste der Mann seine Frau zusammen mit Angehörigen zum Zug und in den Wagen tragen. Er habe sich mehrere Stunden in Angst um das Leben und die Gesundheit seiner Frau und des ungeborenen Kindes befunden. Die Untätigkeit der Grenzwächter habe ihn zudem in eine besondere Situation der Ohnmacht und Hilflosigkeit gebracht, da sich die Familie in Obhut des Staates befand.
Die seelische Integrität des Mannes sei damit widerrechtlich verletzt worden, wobei keine länger anhaltende psychische Beeinträchtigung nachgewiesen sei.
Grenzwächter verurteilt
Verneint hat das Bundesgericht einen Anspruch der Familie auf Genugtuung und Schadenersatz im Zusammenhang mit dem Asylverfahren in Italien. Sie hatte diesbezüglich insbesondere entgangene Unterstützungsleistungen geltend gemacht.
Der einsatzleitende Grenzwächter wurde 2018 wegen Körperverletzung verurteilt. Von den weiteren Vorwürfen – wie versuchte vorsätzliche Tötung oder versuchte schwere Körperverletzung – wurde er freigesprochen, da nicht festgestellt werden konnte, ob das Kind bei der Ankunft der Mutter in Brig noch lebte.