Cannabis, sogenannte Partydrogen wie Ecstasy, Kokain oder auch Heroin – all diese Drogen sind in der Schweiz grundsätzlich verboten. Doch nun will der Bundesrat gewisse Lockerungen prüfen. Drogen zu nehmen wäre gemäss den Plänen neu straffrei. Rahel Gall, Geschäftsleiterin der Contact-Stiftung für Suchthilfe in Bern, begrüsst die Idee des Bundesrats, den Drogenkonsum zu entkriminalisieren.
SRF News: Können Sie erklären, warum Sie eine Lockerung befürworten?
Rahel Gall: Ja. Ich bin sehr glücklich, dass der Bund diese Frage aufgeworfen hat, ob es Sinn ergibt, diesen Konsum weiterhin zu bestrafen oder eben nicht. Zum einen hat sich gezeigt, dass es nichts bringt, dass der Konsum sich nicht reduziert durch die Bestrafung. Zum anderen belastet es Menschen, die diese Substanzen konsumieren, dass sie dadurch kriminalisiert werden.
Muss man unterscheiden zwischen weichen und harten Drogen?
Was den Konsum betrifft, also die Entkriminalisierung des Konsums, bin ich der Meinung, und das zeigen auch unsere Erfahrungen aus der Praxis, dass man hier eigentlich nicht unterscheiden muss. Es ergibt keinen Sinn, den Konsum zu kriminalisieren. Hier eine Legalisierung anzustreben, wäre interessant.
Man müsste sicher schauen, dass der Jugendschutz gewährleistet wäre.
Parallel dazu ist es aber ganz wichtig ist, dass es eine staatliche Regulierung gibt, dass es eine Kontrolle gibt. Wer darf konsumieren? Wie funktioniert die Produktion, wie funktioniert der Markt? Diese staatliche Regulierung muss abhängig sein vom Gefährdungspotenzial unterschiedlicher Substanzen.
Wie könnte diese Regulierung bei einer harten Droge wie Heroin ausschauen?
Man müsste sicher schauen, dass der Jugendschutz gewährleistet wäre. Der Zugang zu Heroin müsste schwierig sein. Denn Heroin macht schnell abhängig. Aber der Konsum als solcher sollte nicht bestraft werden.
In Portugal zum Beispiel ist der Drogenkonsum straffrei. Welche Erfahrungen macht man dort mit der Liberalisierung?
Portugal ist ein sehr gutes Beispiel. Dort hat sich gezeigt, dass es viele positive Konsequenzen gibt für Konsumierende, weil der Konsum straffrei ist. Es konsumieren gleich viele Leute, unabhängig davon, ob der Konsum straffrei ist oder eben kriminalisiert wird. Das weiss man auch aus anderen Ländern.
Ist Ihre Prognose, dass sich die Entkriminalisierung auch in der Schweiz nicht so auswirken würde, dass mehr Drogen konsumiert würden?
Genau. Ich glaube, es würden nicht mehr Drogen konsumiert werden. Aber die Situation der Menschen, die Drogen nehmen, würde sich massiv verbessern.
Ein Gegenargument ist ja die abschreckende Wirkung von Strafen...
Ja, ich verstehe dieses Argument. Es klingt logisch. Aber da haben wir einfach viele Erfahrungen. Es gibt Forschungen dazu. Es gibt Erfahrungen in der Schweiz und in anderen Ländern. Das ist nicht die Realität. Und in der Schweiz hat beispielsweise ein Drittel der Bevölkerung bereits Cannabis konsumiert im Leben. Cannabis ist verboten. Da haben wir Unmengen von Menschen, die trotz des Verbots etwas machen. Das gibt es ja in anderen Lebensbereichen auch.
Trotzdem gibt es in der Schweiz immer noch die starke Meinung, dass die Liberalisierung mit Gefahren verbunden sei. Wie kommt es zu diesen gegensätzlichen Einschätzungen?
Am Drogenkonsum hängen moralische Vorstellungen. Es wird häufig mit Polemik argumentiert und Forschungsresultate werden nicht berücksichtigt. Es geht um religiöse und um moralische Wertvorstellungen, die häufig dazu führen, dass jemand die eine oder andere Meinung hat über diesen Konsum.
Das Gespräch führte Isabelle Maissen.