- In der Schweiz wurde die offene Drogenszene in den 1990er-Jahren aufgelöst. Seither hat sich der Drogenkonsum stark verändert.
- Heute werden viele illegale Substanzen vor allem von nicht schwer abhängigen Jugendlichen konsumiert, die sozial integriert sind.
- Deshalb will der Bundesrat seine Drogenpolitik anpassen. Er denkt darüber nach, den Konsum aller Drogen straffrei zu machen.
In der Schweiz sind alle Drogen verboten – Kauf, Handel und Konsum. Nur beim Cannabis sind wenige Gramm für den Eigengebrauch straffrei. Doch jetzt will der Bundesrat die Bestrafung des Konsums sämtlicher Drogen überprüfen lassen.
Die Kriminalisierung der Konsumierenden erfülle ihren Zweck nicht, der Konsum gehe nicht zurück, erklärt Betäubungsmittelexperte Adrian Gschwend vom Bundesamt für Gesundheit (BAG): «Der Drogenhandel wäre weiterhin verboten. Es gäbe keinen Markt in Form von Shops oder Apotheken, in denen Drogen zu nicht medizinischen Zwecken verkauft würden. Aber die Konsumierenden würden nicht mehr verfolgt.»
Die bisherige Drogenpolitik orientierte sich an der Heroinkrise in den 1980er-Jahren. Heute hingegen stünden die Jugendlichen im Fokus mit ihrem zum Teil exzessiven Konsum von sogenannten Freizeitdrogen wie Cannabis, Kokain oder Ecstasy. Diese jungen Leute seien keine Schwerstabhängigen, sondern sozial integriert und sähen oft kein Problem in ihrem Verhalten.
Eine Bestrafung habe darum vor allem negative Folgen, so Gschwend: «Durch die Kriminalisierung werden die Betroffenen stigmatisiert und teilweise ist es schwieriger, sie überhaupt zu erreichen und in Behandlung zu bringen.»
Das heisst, die jungen Konsumentinnen und Konsumenten sind misstrauisch und wollen nichts mit Präventionsprogrammen oder Fachpersonen zu tun haben. So könne der Jugendschutz nicht umgesetzt werden, befürchtet er.
Erfolgsmodell Portugal
Dass die Schweizer Drogenpolitik nicht mehr zeitgemäss ist, sieht der Bundesrat auch im Ausland. In Portugal etwa sei der Drogenkonsum seit vielen Jahren straffrei, mit erfreulichen Resultaten, so Gschwend: «Der Konsum hat in keinster Weise zugenommen. Und man kann die Leute besser erreichen: Sie melden sich eher, wenn sie ein Problem haben.»
Portugal ist ein Erfolgsmodell, das unterstreicht auch eine Kommission, von der sich der Bundesrat beraten lässt. Die 20 Drogen- und Suchtexpertinnen und -experten in dem Gremium wollten noch weiter gehen. Sie wollen das Cannabisverbot aufheben und in einem letzten Schritt sogar das Betäubungsmittelgesetz streichen.
Dem Bundesrat geht das aber zu schnell. Zuerst will er die Pilotversuche für die kontrollierte Cannabisabgabe beobachten, die bald starten. Erst dann will er über Reformen in der Drogenpolitik entscheiden.
Wie die Kommission wollen auch Suchtorganisationen und linke Politikerinnen und Politiker seit Jahren die Schweizer Drogenpolitik reformieren. Eine komplette Legalisierung scheint dennoch noch sehr weit weg. Bei vielen Bürgerlichen kommt eine liberalere Gangart nicht gut an.
Ich bin gegen eine Legalisierung harter Drogen – auch wenn es um den Konsum geht.
Nur schon ein straffreier Konsum von Drogen sorgt bei Gesundheitspolitikern für Sorgenfalten. Etwa bei Ruth Humbel von der Mitte-Fraktion: «Ich bin gegen eine Legalisierung harter Drogen – auch wenn es um den Konsum geht.»
Humbel fragt sich auch, ob ein straffreier Drogenkonsum in der Schweiz akzeptiert würde. Auch der Bundesrat gibt sich realistisch: Der Regierung sei bewusst, dass eine mögliche Weiterentwicklung der Sucht- und Drogenpolitik umstritten bleiben werde.
Was denken Sie? Was bewirkt der straffreie Drogenkonsum? Führt er zu einer Entkriminalisierung oder nicht? Erzählen Sie es uns in den Kommentaren.