Am Wochenende haben steigende Fallzahlen und bekannt gewordene Ansteckungen in Clubs die allgemeine Stimmungslage von «entspannt» auf «besorgt» gedreht. Ein seit längerem vereinbartes Treffen von Bundesrat Alain Berset und kantonalen Gesundheitsdirektoren am Montag wurde in der öffentlichen Wahrnehmung zum Krisentreffen.
Berset nutzte die Sitzung und den anschliessenden Auftritt vor den Medien dazu, den Kantonsvertretern den Tarif durchzugeben. Mit dem Übergang von der ausserordentlichen zur besonderen Lage liege der Ball zum Handeln wieder bei ihnen. Bei der Frage zum Beispiel, wie seriös Clubs ihre Schutzmassnahmen umsetzen, seien die Kantone in der Pflicht. Aber auch in Sachen Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr: «Da sollen sie jetzt mal schauen».
Es drohte ein Flickenteppich
Das alles ist erst zwei Tage her. Inzwischen sind die Fallzahlen und der öffentliche Druck weiter gestiegen. Auch der Druck einzelner Kantone, die im Alleingang die Maskenpflicht einführen wollten. Der Bundesrat sah sich kurzfristig genötigt, das Heft wieder selbst in die Hand zu nehmen. Dies auch, weil sich die Kantone nicht einigen konnten und ein Flickenteppich von unterschiedlichen Regeln drohte. Man fühlt sich ein bisschen wie am Anfang der Krise, als der Bundesrat mehrfach von der Entwicklung und vorpreschenden Kantonen überholt wurde.
Der Entscheid hat die Grenzen des neu betonten Föderalismus aufgezeigt. Die bundesrätliche Strategie, die Kantone mit der Hauptrolle in der Pandemie-Bekämpfung zu besetzen, ist ein erstes Mal gescheitert.
Aus Bars und Clubs will sich der Bundesrat raushalten
Die gestiegenen Fallzahlen der letzten Tage haben – so zumindest der Kenntnisstand heute – nicht in erster Linie mit der fehlenden Maskenpflicht im ÖV zu tun. Klar ist aber, dass ungenügende oder mangelhaft umgesetzte Schutzkonzepte in Clubs und Bars ein gröberes Problem sind. Hier will sich der Bundesrat allerdings weiterhin raushalten. Bundesrat Berset sagte auch heute deutlich, dass es an den Kantonen sei, hier die richtigen Massnahmen zu ergreifen.
Es spricht einiges für diesen Weg, den der Bundesrat in Kampf gegen eine zweite Welle gehen will: Ein Kanton kann auf regionale Ausbrüche besser reagieren. Eine drastische Massnahme ist angemessen für einen lokalen Hotspot – aber wahrscheinlich übertrieben für eine Region mit stabil wenig Neuinfektionen. Die Entwicklung der Fallzahlen wird schnell eine Antwort geben auf die Frage, ob der Weg auch funktioniert. Oder ob der Bundesrat trotz Sommerferien schon bald wieder unter Druck gerät, durchzugreifen.