Der Scheinwerfer richtet sich vor allem auf die FDP, die gemäss neustem Wahlbarometer gerade noch 13.6 Prozent erreicht. Müsste sie damit einen Bundesratssitz an die Grünen abtreten?
FDP-Präsident Thierry Burkart weicht aus: «Hätte, könnte, müsste – ich rede sehr ungern im Konjunktiv. Entscheiden wird die Diskussion nach den Wahlen 2023. Alles andere kommt nachher.» Trotzdem soll vor allem bei den FDP-Mitgliedern im Bundesrat, bei Ignazio Cassis und Karin Keller-Sutter, die Nervosität bereits jetzt sehr gross sein.
Es lohnt sich also, bereits jetzt einige grundsätzliche Fragen zu stellen: Sollen alle massgeblichen politischen Kräfte im Bundesrat vertreten sein? Ja, sagt im Grundsatz Mitte-Präsident Gerhard Pfister und stellt fest: «Wir hielten aber immer das Prinzip hoch, dass man amtierende Bundesräte, die wieder antreten, nicht aus dem Amt wählen sollte. Es ist gewissermassen eine Quadratur des Kreises.» Pfister weiss, dass seine Partei entscheidend sein wird.
Grünliberale Ansprüche
Wichtig werden auch die Grünliberalen sein. Fraktionschefin Tiana Moser hält schon mal fest: «Da die Bundesratsparteien sehr starr an ihren Sitzen festhalten und sich die Tendenz der mangelnden Vertretung der Wählerschaft in der Exekutive zur verstärken scheint, ist eine Abwahl auch eine Option. Es ist nicht unsere primäres Ziel, aber wir schliessen das nicht aus.»
Steigen damit also die Chancen auf einen grünen Bundesratssitz auf Kosten der FDP? Nicht unbedingt, sagt Moser: «Zwei SP-Sitze und ein Sitz für die Grünen wären eine Übervertretung des linken Blocks, was nicht grundsätzlich anzustreben wäre.»
Zwei SP-Sitze und ein Sitz für die Grünen wären eine Übervertretung des linken Blocks, was nicht grundsätzlich anzustreben wäre.
Moser spricht eine letzte Grundsatzfrage an, nämlich, ob nicht die Parteien, sondern die Blöcke – Rechts, Mitte, Links – angemessen im Bundesrat vertreten sein sollen. Dann müsste ein FDP-Sitz wohl an die Mitte gehen, allenfalls gar an die Grünliberalen. Und den Anspruch der Grünen könnte man auf Kosten der SP einlösen.
Grüne Überlegungen zur SP
Wären die Grünen bereit, einen SP-Sitz anzugreifen? Fraktionschefin Aline Trede sagt nicht kategorisch Nein: «Inhaltlich gesehen müssen wir auch eine Mehrheit im Bundesrat haben, was meist mit der SP gelang. Es wäre also nicht die erste Priorität. Der Vorschlag vom Simonetta Sommaruga zum CO2-Gesetz ist allerdings sehr mutlos, wir hätten uns von der Umweltministerin mehr erhofft.»
SP mit klarer Ansage an Grüne
Wackelt also der Sitz von Sommaruga? Fraktionschef Roger Nordmann winkt ab: «Die Grünen wissen, dass sie damit nichts gewonnen hätten. Es gäbe einen Riesenkrach, ohne dass sich an den Links-Rechts-Verhältnissen etwas ändern würde. SP und Grüne sollten jetzt zusammenarbeiten und Scharmützel vermeiden.»
Die Grünen wissen, dass sie damit nichts gewonnen hätten.
Nordmann wehrt sich damit auch gegen die grünliberale Block-Diskussion und bekommt Unterstützung von SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi.
SVP gegen Blöcke
Entscheidend sei die Stärke jeder Partei, betont Aeschi: «Die SVP lehnt die Block-Diskussion ab. Die im Bundesrat vertretenen Parteien müssen sich auf ein gemeinsames Wahlprogramm einigen können. Mit der FDP etwa haben wir sehr wenig gemeinsam, wenn man ans Rahmenabkommen oder ans CO2-Gesetz zurückdenkt.»
2023 dürfte sich der Blick bei der Zusammensetzung des Bundesrates also auf FDP und Grüne richten. Das weiss auch FDP-Präsident Burkart: «Wenn die Grünen einen Sitz erhalten, gibt es einen Linksrutsch im Bundesrat. Wenn man das verhindern will, muss man FDP wählen.»