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Philipp Burkhardt
Legende: «Ignazio Cassis war von Anfang an der Favorit», sagt SRF-Bundeshausverantwortlicher Philipp Burkhardt. SRF

Bundesratswahl «Ignazio Cassis ist kaum mehr zu schlagen»

Überraschungen gab es bei den letzten Hearings nicht. SRF-Bundeshausredaktor Philipp Burkhardt über die Ausgangslage.

SRF News: Wie haben sich die Parteien positioniert?

Philipp Burkhardt: Vor allem ist mit Spannung erwartet worden, wie sich die SP positionieren würde. Aber die Spannung bleibt uns erhalten, denn die Partei hat sich noch nicht festgelegt und will morgen früh kurz vor Beginn der Sitzung der Vereinigten Bundesversammlung noch einmal zusammen kommen. Es gebe Stimmen für alle drei Kandidaten, hat Fraktionschef Roger Nordmann lediglich bekanntgegeben.

Dafür weiss die zweite Linkspartei im Bundeshaus, die Grüne Partei, was sie will: Sie wird mehrheitlich die Waadtländer Nationalrätin Isabelle Moret unterstützen. Das ist nicht weiter erstaunlich, da für die Linkspartei die Geschlechterfrage im Vordergrund steht.

Nicht festlegen möchte sich die CVP-Fraktion. Auch das entspricht ihrer Tradition. Alle drei Kandidaten seien wählbar und qualifiziert, schreibt die Partei. Spricht man aber mit Parteiexponenten, hört man, dass die CVP mehrheitlich den Tessiner Favoriten Ignazio Cassis wählen werde. Schon vor einer Woche hat sich auch die grösste Fraktion im Bundeshaus, die SVP, klar für Cassis ausgesprochen. Auch innerhalb der FDP-Fraktion ist man offenbar mehrheitlich für den Tessiner – immerhin ist er ja der Präsident der Fraktion.

Würde Cassis nicht gewählt, dann wäre er als Fraktionschef ziemlich beschädigt.
Autor: Philipp Burkhardt SRF-Bundeshausredaktor

Dann bleiben noch die beiden kleinsten Parteien. Die BDP spricht sich als einzige Partei mehrheitlich für den Genfer Pierre Maudet aus. Die Grünliberalen ihrerseits geben keine Wahlempfehlung ab. Alle drei Kandidaten würden Stimmen erhalten, teilte die Partei mit.

Hat es irgendwelche Überraschungen gegeben heute?

Nein, bisher verläuft alles ziemlich überraschungsfrei, eigentlich fast schon nach Drehbuch. Einzelne Exponenten der SP haben ja in den letzten Wochen noch damit geliebäugelt, die frühere Tessiner Regierungsrätin und ehemalige Nationalrätin Laura Sadis als wilde Kandidatin zu lancieren. Aber diesen Plänen hat Fraktionspräsident Roger Nordmann heute eine klare Absage erteilt.

Man bedaure zwar, dass Sadis nicht auf dem offiziellen Ticket der FDP sei, aber man wolle sich an die offiziellen drei Kandidaten halten. Die SP will also morgen mitentscheiden, mit Stimmen für eine chancenlose wilde Kandidatin Sadis hätte sie sich faktisch aus dem Spiel verabschiedet.

Also ist der Fall klar? Ignazio Cassis wird gewählt?

Man kann es drehen und wenden, wie man will. Der Tessiner ist vom ersten Tag an der grosse Favorit gewesen – und er bleibt es bis am Schluss. Mit der SVP, der grössten Fraktion im Rücken und der Stimmenmehrheit in der eigenen Partei und in der CVP ist er kaum mehr zu schlagen. Der Anspruch der italienischsprachigen Schweiz auf einen Bundesratssitz – nach 18 Jahren ohne Vertretung in der Landesregierung – ist ein gewichtiges Argument, das im Parlament verfängt. Zudem hat sich Cassis im Wahlkampf auch sehr gut geschlagen.

Die spannendste Frage morgen dürfte deshalb sein, wie rasch es geht. Rein rechnerisch könnte Ignazio Cassis bei dieser Ausgangslage das nötige absolute Mehr, also die Hälfte der Stimmen plus eine, schon im ersten Wahlgang schaffen. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass er die nötige Hürde erst im zweiten oder dritten Wahlgang überspringt.

Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.

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