Eigentlich hätten die Bundesratswahlen das Thema der «Arena» sein sollen. Doch es war der Bundesrat selber, der diesen Fahrplan durcheinander brachte. Am Nachmittag gab er bekannt, wie er mit der EU in Sachen Personenfreizügigkeit vorgehen will – indem er auf eine Schutzklausel setzt.
Diese Schutzklausel stand denn auch im Zentrum der Debatte in der «Arena». Wie gut oder schlecht der Vorschlag des Bundesrats zu werten sei, darüber waren sich die verschiedenen Parteien nicht einig. Kritik kam von links und von rechts, während die Mitteparteien am Vorschlag des Bundesrats auch Gutes fanden.
Offene Fragen
«Das ist alter Wein in neuen Schläuchen», kommentierte SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz den Vorschlag einer Schutzklausel. Die wichtigste Frage lasse der Bundesrat damit unbeantwortet: «Wie will er die Zuwanderung reduzieren?» Das Volk erwarte kein technisches Instrument, um die Einwanderung von 80‘000 auf 78‘000 zu senken, sondern eine «massive Reduktion».
Die BDP gab sich ebenfalls enttäuscht. «Der Berg hat eine Maus geboren», sagte BDP-Fraktionschef Lorenz Hess. «Das Problem ist, dass wir eine Gleichung mit zwei Unbekannten haben.» Auf der einen Seite wisse man nicht genau, wie diese Schutzklausel funktionieren soll; auf der anderen Seite wisse man nicht, wie die EU darauf reagieren werde.
«Nicht ausgereift»
Auch auf linker Seite war man nicht zufrieden, wenn auch aus anderen Gründen. «Die bundesrätliche Lösung ist nicht ausgereift: Sie löst keine Probleme im Inland und stellt die Bilateralen auf eine harte Probe», sagte SP-Fraktionschef Roger Nordmann. Seiner Meinung nach müsste der Bundesrat jene Probleme angehen, die laut SP für die Annahme der Zuwanderungsinitiative gesorgt haben: «Die Probleme auf dem Wohnungs- und auf dem Arbeitsmarkt.»
Für die Grünen gilt es ebenfalls, erst im Inland bessere Voraussetzungen zu schaffen. «Wir können die Nachfrage nach Arbeitskräften aus dem Ausland beeinflussen, indem wir eine bessere Vereinbarung von Beruf und Familie bieten», sagte Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli.
Beifall von der CVP
Anders beurteilte die CVP den Vorschlag des Bundesrats. «Das ist ein positiver Schritt», sagte CVP-Nationalrätin Viola Amherd. Sie unterstütze das Vorgehen, mit der EU eine einvernehmliche Lösung zu suchen; im Notfall die Schutzklausel aber einseitig anzuwenden. Für FDP-Fraktionschef Ignazio Cassis wiederum war wichtig, dass der Bundesrat die Zuwanderungsinitiative umsetzt und gleichzeitig an den Bilateralen festhält.
Gemäss dem Europa-Experten Dieter Freiburghaus hat der Bundesrat mit der präsentierten Lösung einen grossen Schritt gemacht: «Er hat sich von einer einvernehmlichen Lösung verabschiedet.» Denn Brüssel hätte der Einschätzung der Schweiz, die Zuwanderung verursache schwerwiegende Probleme, ohnehin nie zugestimmt. «Die lachen sich den Buckel voll in Brüssel, wenn die Schweiz kommt und sagt, ‹Mein Zahnarzt spricht Hochdeutsch.›», mokiert sich Freiburghaus. Eines habe der Bundesrat aber erreicht: «Er hat damit Zeit gewonnen.»
Konflikt als Weg zur Lösung
Politologe Michael Hermann wiederum erkennt eine Strategie hinter dem Vorgehen des Bundesrats. «Bisher sehen die Leute nur die Kosten, welche die Personenfreizügigkeit mit sich bringt.» Wenn der Bundesrat die Zuwanderung aber Schritt für Schritt reduziere, werde sich die Bevölkerung bewusst werden, dass der Wegfall der Personenfreizügigkeit einen wirtschaftlichen Preis habe.
Damit sei die Schutzklausel auch eine Chance. «Manchmal muss man den Konflikt wagen, weil sich erst im Konflikt eine Lösung präsentiert.» Schliesslich wisse man auch nicht, wie die EU reagieren werde.
Nach der Diskussion um die Schutzklausel kam dann im zweiten Teil der Sendung das Gespräch doch noch auf die bevorstehende Bundesratswahl. Für Diskussionen sorgte insbesondere die SVP-interne Regelung, dass nur einer jener drei Kandidaten akzeptiert werde, welche die Partei vorgeschlagen hatte. Dies, obwohl die Bundesverfassung festhält, dass die Parlamentarier in ihrer Wahl völlig frei sind.
Das Parlament ist frei, zu wählen, wen es will.
Die Statuten seien verfassungsrechtlich fraglich, kritisierte CVP-Nationalrätin Viola Amherd die SVP. «Wir sind zwar frei, zu wählen, wen wir wollen – aber am Ende bekommen wir nicht das, was wir gewählt haben.» GLP-Fraktionschefin Tiana Moser wiederum hielt fest, dass sich die Partei durch die Statuten nicht unter Druck setzen lasse. «Wir werden schauen, wen von den drei Kandidaten oder von den anderen SVP-Politikern wir wählen werden», so Moser.
SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz sah hingegen kein Problem in den Statuten seiner Partei. «Das Parlament ist frei, zu wählen, wen es will. Aber wenn es nicht einen der drei Kandidaten auf dem Bundesratsticket wählt, dann ist das nicht unsere Vertretung.»