Im Vorfeld der Bundesratswahlen überschlugen sich die Spekulationen über mögliche Sprengkandidaten ausserhalb der SVP oder des Dreiertickets mit den SVP-Kandidaten. Am Mittag war klar, dass die Bundesratswahl so «normal» wie seit Jahren nicht mehr abgelaufen ist.
Für den Politologen Adrian Vatter von der Universität Bern war denn auch die heutige Bundesratswahl ein Zeichen dafür, dass das Parlament nach acht Jahren zurück zu stabilen Verhältnissen zurückkehren wollte. «Jede Bundesratswahl entwickelt eine Eigendynamik und die Bundesräte erzielten bei ihrer Wiederwahl mitunter die besten Wahlergebnisse in der Geschichte – Es gab also quasi eine ‹positive Retourkutsche› im siebten Wahlgang», sagte Vatter in der Sendung «Classe Politique».
Ziel erreicht
Auch nach Ansicht von Albert Rösti (SVP/BE) ist die Strategie der SVP vollumfänglich aufgegangen. Aber die Partei habe auch von Anfang an auf ein gleichwertiges Dreierticket gesetzt. «Es gab in der Fraktion heute Morgen keine Weisung, wer von diesen drei zu wählen ist», versicherte Rösti.
Der SP-Fraktionschef relativiert, denn die SVP habe keine berauschenden Kandidaten vorgelegt. «Bei weitem nicht alle der SP-Fraktion haben Parmelin gewählt», sagte Roger Nordmann (SP/VD)
Beim neu gewählten Bundesrat Guy Parmelin habe das Parlament das «kleinste Übel» gewählt, wurde kolporiert. So salopp möchte es Ignazio Cassis (FDP/TI) nicht formulieren. Es habe sicher Parlamentarier gegeben, die für Parmelin gestimmt hätten, weil er eine ausgeglichene Persönlichkeit ist.
FDP-Fraktionschef Cassi betont, dass er sehr gut befreundet sei mit Parmelin, und dass man ihn häufig unterschätze. «In der Kommission [für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK)] hat er in den vergangenen zwei Jahren als Präsident ausgezeichnet Arbeit geleistet. Nicht nur die Sitzungsführung, aber auch die Klarheit des Denkens, das Management von komplizierten Situationen und auch mit seiner Neutralität nach links und rechts.»
Schlechter Tag für das Tessin?
Die Wahl Parmelins war auch eine Nichtwahl von Thomas Aeschi und Norman Gobbi. Trotzdem will der Tessiner CVP-Fraktionschef Filippo Lombardi nicht von einem schlechten Tag für das Tessin sprechen, denn der Kandidat Gobbi habe sich gut geschlagen:
«Er hat drei Sachen gewonnen. Er war auf dem Ticket, das ist nicht so einfach. Er hat einen guten Eindruck in den Hearings gemacht. Und drittens hat er mit 50 Stimmen im ersten Wahlgang ein beachtliches Ergebnis erzielt», sagte Lombardi. Die Kraft des Tessins liege darin ist, dass in allen Parteien wählbare Kandidaten sind.
Ausschlussklausel liefert immer noch Diskussionsstoff
Die Ausschlussklausel in den SVP-Statuten ist aber im Nachgang der Bundesratswahl ein hitziger Streitpunkt unter den Parlamentariern. Für Nordmann ist sie einfach «totalitär» und «die SVP muss diese Klausel entfernen».
Lombardi weist darauf hin, dass genau weil es diese Klausel gebe, viele Kollegen in der Fraktion jemanden ausserhalb des Dreiertickets wählen wollten. Sie wollten damit beweisen, dass die Klausel falsch sei. «Aber ich konnte meine Kollegen überzeugen, dass es jetzt darum geht, für diese schwierige Legislaturperiode wieder Vertrauen herzustellen zwischen den Bundesratsparteien», erklärte Lombardi. «Aber in Zukunft wird die CVP-Fraktion diese Klausel nicht mehr akzeptieren.»
Albert Rösti verteidigt die Klausel, denn sie «war sehr nützlich» und sei verfassungsmässig in Bezug auf das Vereinsrecht. «Es ist kein Thema, sie zu streichen.»
Justizdepartement für Parmelin
Der neu gewählte SVP-Bundesrat Guy Parmelin hat am Nachmittag die Teilnahme an der Sendung «Classe Politique» abgesagt. Die Frage nach seinem zukünftigen Wunschdepartement diskutierten die Fraktionsvertreter ohne den Bundesrat. Lombardi würde es begrüssen, wenn die SVP in bei den politischen Themen Zuwanderung und Asyl, also im Justizdepartement, mehr Verantwortung übernähme.
Die FDP setze ihr Vertrauen auf die SVP, meint Cassis, aber sie «erwarte auch ein Return on Investment». Ins gleiche Horn stösst Lombardi, denn man habe der SVP die Chance gegeben und habe nun die Erwartung, dass sich die SVP entsprechend verhalte.
Dem Frieden im Bundesrat traut die SP auch mit Parmelin nicht. Nordmann hat vor allem Angst um die Beziehungen zu Europa. Aber auch bei einer anstehenden Sparrunde beim Bundesbudget werde es hart auf hart kommen. Oder ein Rentensystem ohne Konsolidierung der Finanzierung werde nicht funktionieren, denn die Bevölkerung sei nicht bereit, Rentenkürzungen hinzunehmen.
Rösti steht dem gelassen gegenüber. Die SVP sei bereit, im Bereich der Zuwanderung oder Asylwesen, also im Justizdepartement, mehr Verantwortung zu übernehmen. «Wenn das im Bundesrat dem SVP-Vertreter so zugeteilt wird, ist das sicher die Herausforderung, die wir mit Respekt angehen.»