2 – 2 – 2 – 1 . So lautet die Formel, die festlegt, wie in der Schweiz die Landesregierung zusammengesetzt wird. Je zwei Sitze für die drei grössten Parteien. Und einen Sitz für die Partei auf dem vierten Platz.
Die Zauberformel wurde jahrzehntelang angewendet, dann gesprengt, und wieder aktiviert. Und jetzt, nach dem grossen Wahlerfolg der Grünen, wird von Vielen eine neue Formel gefordert.
Es geschieht schier Unmögliches
Vier Bundesräte erklären 1959 ihren Rücktritt. Im gleichen Jahr. Innert weniger Tage. Ein Freisinniger und drei Christdemokraten. Zum Teil aus gesundheitlichen Gründen.
Diese Vierer-Vakanz habe die Manövriermasse für ein vollständiges Umkrempeln der parteipolitischen Zusammensetzung der Landesregierung geschaffen: So erklärt es viele Jahre später der Historiker und Bundesrat-Spezialist Urs Altermatt.
1959 ist die Landesregierung ein Männergremium, bestehend aus drei Freisinnigen, drei Christdemokraten und einem Vertreter der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB), der späteren SVP.
Jahrzehntelang hat die FDP den Ton angegeben und gibt ihre politische Vormachtstellung widerwillig ab. Entsprechend gross ist der Unmut bei der CVP.
Geschichte der Schweizer Regierung
Max Weber, der einzige SP-Bundesrat, ist schon 1953 nach einer Abstimmungsniederlage verärgert zurückgetreten. Die SP zieht sich zurück in den «Jungbrunnen der Opposition» und für eine Rückkehr in den Bundesrat fordert sie unmissverständlich: «Zwei Sitze oder keinen.»
Am 17. Dezember 1959 steht die Ersatzwahl an. Radio Beromünster berichtet: «Zuerst wären in der Reihenfolge Petitpierre, Chaudet und Wahlen die bisherigen Bundesräte zu bestätigen.» Kein Problem – wie auch die Wahl der Neuen, Bourgknecht (CVP FR), Spühler (SP ZH) und von Moos (CVP OW).
Dann aber kommt Spannung auf: «Das Bild änderte sich, als zum siebenten Wahlgang geschritten wurde, in dem der zweite sozialdemokratische Kandidat im Feuer stand», meldet das Radio.
Erstmals zwei SP-Vertreter
Der zweite offizielle SP-Bundesrats-Kandidat ist nämlich der Parteipräsident persönlich: der wortgewaltige Schaffhauser Walther Bringolf, ein rotes Tuch für die Bürgerlichen wegen seiner kommunistischen Vergangenheit.
Bringolf ist chancenlos. Die meisten Stimmen erhalten der Sprengkandidat Hans Schaffner (FDP) sowie der Basler SP-Ständerat Hans-Peter Tschudi, der auch von der CVP unterstützt wird.
Nach dem zweiten Wahlgang bläst Bringolf zornig zum Rückzug: «Dass ich meine Parteifreunde von der SP-Fraktion, die mich allerdings jetzt im zweiten Wahlgang zum Teil im Stich gelassen haben, von ihrer Verpflichtung entbinde, mir ihre Stimme eventuell in einem dritten Wahlgang zu geben.» Gewählt wird Hans-Peter Tschudi.
Die stabilste Regierung der Welt
In der Geschichte des modernen Bundesstaates sitzen damit erstmals zwei Sozialdemokraten im Bundesrat. Die Zauberformel hat sich durchgesetzt. Und mit ihr auch ihr geistiger Vater, der brillante Taktiker und hartnäckige Strippenzieher Martin Rosenberg, Generalsekretär der CVP.
Rosenberg hat den Coup mit der magischen Formel von langer Hand vorbereitet, nach Absprachen mit der SP, hat seit Jahren auf eine gerechte Vertretung der politischen Kräfte im Bundesrat gesetzt.
Das Ziel ist erreicht und damit die Geburt einer Formel, die mit Zauberei nichts – mit geschickter Strategie und Machtpoker aber sehr viel zu tun hatte. Ein politisches Meisterstück, das der Schweiz über 40 Jahre lang nichts weniger als die stabilste Regierung der Welt beschert hat.