Am Vorabend der Bundesratswahl kann viel passieren. Das war 2003 so, als Christoph Blocher die damalige CVP-Bundesrätin Ruth Metzler überraschend aus der Landesregierung gedrängt hat. Die SVP jagte so den Christdemokratinnen und Christdemokraten einen Regierungssitz ab. Die altbewährte Zauberformel? Plötzlich ein Relikt aus vergangenen Zeiten.
Machtspiele gab es auch 1983. Damals hat der bürgerliche Block der Vereinigten Bundesversammlung den Sozialdemokraten Otto Stich in den Bundesrat gehievt – auch wenn dieser im Gegensatz zu seiner Parteikollegin Lilian Uchtenhagen nicht nominiert war. Die damalige Zürcher Nationalrätin wäre die erste Schweizer Bundesrätin gewesen.
Es war ein Affront für die Linken und hat in der SP eine Grundsatzdebatte über die Regierungsbeteiligung ausgelöst. Am 7. Dezember 1983 nahm Stich die Wahl in die Landesregierung an, Uchtenhagen nannte den Vorgang «eine Intrige».
Seit der Causa Uchtenhagen wird die Nacht vor den Bundesratswahlen oft als die «Nacht der langen Messer» bezeichnet – sowohl in den Medien als auch im Alltag.
Der Ursprung der Phrase hat es allerdings in sich, denn sie stammt aus einem düsteren Kapitel der europäischen Geschichte und ist eng mit dem nationalsozialistischen Deutschland verknüpft.
Als Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, standen die Zeichen in Deutschland auf Diktatur. Der Führer sollte in den darauffolgenden Jahren das Land grundlegend umkrempeln und auf die Linie seiner NSDAP bringen. Rassismus, Antisemitismus und der Wille zur Kriegstreiberei grassierten in Deutschland.
Eineinhalb Jahre nach seiner Machtübernahme initiierte Hitler den «Röhm-Putsch». Unter dem Vorwand einer bevorstehenden Revolte aus den Reihen der Sturmabteilung (SA) liess er deren Führungsriege und ihren Chef Ernst Röhm ermorden. Auch andere in Ungnade gefallene Parteigänger, politische Gegner und Juden, aber auch Unbeteiligte kamen bei dieser euphemistisch «Säuberungsmassnahme» benannten Aktion um oder wurden verhaftet. Historikerinnen und Historiker schätzen, dass rund 100 Personen gestorben sind.
Auch im englischsprachigen Raum geläufig
Der «Röhm-Putsch» zählt zu den wichtigsten Zäsuren in der inneren Entwicklung der NS-Diktatur. In der Forschung rund um die Zeit des Nationalsozialismus fristet der Terrorakt allerdings eher ein Schattendasein. Dies dürfte auch der Hauptgrund sein, weshalb das geflügelte Wort noch heute regelmässig gebraucht wird.
Übrigens nicht nur in der Schweiz, sondern auch in anderen Ländern. So wird etwa im englischsprachigen Raum die Entlassung von sieben Kabinettsmitgliedern des damaligen britischen Premierministers Harold Macmillan im Jahr 1962 regelmässig als «Night of the Long Knives» bezeichnet. Einigen Musikfans dürfte zudem der gleichnamige Song der australischen Rockband AC/DC ein Begriff sein. Wichtig dabei: Auch im Englischen meint «Night of the Long Knives» eigentlich den «Röhm-Putsch» der Nationalsozialisten.