SRF News: Herr Bundesrat Burkhalter, haben Sie keine Lust mehr?
Didier Burkhalter: Nein, das stimmt nicht. Ich habe Lust auf etwas anderes. Das stimmt. Nach über 30 Jahren in der Politik – ein Engagement mit viel Herz, sehr viel persönlichen Gefühlen und viel Energieaufwand – möchte ich jetzt etwas privater leben. Und das ist ein natürliches Bedürfnis.
Ich habe Lust auf etwas anderes.
Am Sonntag sei es Ihnen glasklar geworden, sagten Sie. In der Sonntagspresse hatten Sie sehr viel Kritik geerntet. Hat Ihnen das den Rest gegeben?
Überhaupt nicht. Wir sind an Kritik gewöhnt. Es ist wie Wind auf dem See: Es geht in alle Richtungen. Einmal ist man der Superstar, dann viel weniger, schliesslich das Gegenteil – und dann ändert es wieder. Manchmal werden Dinge gesagt, die total falsch sind. Wenn wir das ernst nähmen, könnten wir in dieser Funktion nicht mehr als zwei Tage überleben. Kritik ist an und für sich gut. Aber die Medien-Kritik ist nicht immer gerecht. Manchmal machen Medienleute auch Fehler. Aber trotzdem ist es wichtig, dass die Kritik existiert,und es weiterhin so bleibt. Am Sonntag war mir schon beim Aufwachen glasklar, dass ich den Rücktritt einreiche. Dann hatte ich noch nichts gelesen – in der Sonntagspresse lese ich sowieso eher wenig.
Die Medienkritik ist nicht immer gerecht
Das Europa-Dossier ist blockiert. Wollen Sie es mit ihrem Rücktritt deblockieren?
Der Bundesrat muss klar zeigen, wie er die Zukunft für dieses Land sieht. Aus meiner Sicht gibt es in der Landesregierung eine klare Einhelligkeit darüber, dass wir einen starken bilateralen Weg brauchen. Die Methode, um das in den nächsten Jahren zu erreichen, wird manchmal etwas kritisiert. Aber man muss auch sagen: Es ist sehr kompliziert. Ich will einfach, dass der Bundesrat das tut, was er am besten kann: Den Weg zeigen. Jetzt, da ich diesen Entscheid getroffen habe, gibt es dem Bundesrat vielleicht etwas mehr Freiheit. Ich glaube nicht, dass sehr viel ändern wird, aber es kann vielleicht etwas helfen.
Jetzt, da ich diesen Entscheid getroffen habe, gibt es dem Bundesrat vielleicht etwas mehr Freiheit.
Ihnen wäre wichtig gewesen, mit der EU ein Rahmenabkommen abschliessen zu können. Das ist Ihnen nicht gelungen. Enttäuscht Sie das?
Es ist keine Enttäuschung. Immerhin haben wir schon einen Teil verhandelt. Wichtig ist für mich nicht, dass wir jetzt schon ein Rahmenabkommen haben, sondern dass wir eine gute Lösung für unser Land erhalten – so schnell wie möglich. Wenn wir aber während Jahren nichts machen, um den bilateralen Weg dynamisch zu erhalten, wird der Marktzugang erodieren. Dann sind Investitionen in der Schweiz weniger interessant, und das heisst: Gefahr für die Arbeitsstellen und daraus entstehen Probleme für die Leute, Familien, Jungen. Und das ist nicht gut. Das will ich nicht.
Das Gespräch führte Philipp Burkhardt.
Höhepunkte von Didier Burkhalters Amtszeit
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Bild 1 von 6. Didier Burkhalter hat sein Rücktrittsschreiben eingereicht. Er tritt per 31. Oktober von seinem Amt zurück. Er ist seit 2009 Mitglied der Landesregierung. Zuerst war er Vorsteher des Innendepartements. 2012 übernahm er das Aussendepartement EDA von Micheline Calmy-Rey. 2014 war der Neuenburger FDP-Politiker Bundespräsident. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 6. Burkhalter, hier mit dem damaligen deutschen Aussenminister Frank-Walter Steinmeier, präsidierte 2014 nicht nur den Bundesrat. Er war auch Vorsitzender der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Ukraine engagierte er sich intensiv für Frieden in der Region. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 6. Gute Beziehungen zu den Mächtigen aus Politik und Wirtschaft: John Kerry, damals noch US-Aussenminister, feixte am letztjährigen WEF in Davos mit Burkhalter. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 6. September 2014: Auftritt als Bundespräsident an der UNO-Generalversammlung in New York. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 6. Auch der rote Teppich darf nicht fehlen. Burkhalter wurde Anfang 2015 im Zürcher Hallenstadion der Swiss Award in der Kategorie Politik verliehen. Er bedankte sich im Smoking. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 6. Am 16. September 2009 wurde Burkhalter als Nachfolger von Pascal Couchepin in den Bundesrat gewählt. Damals war er 49 Jahre alt. An seinem letzten Arbeitstag im Oktober wird er 57 sein. Bildquelle: Keystone.