Der Bieler Finanzdirektor Beat Feurer (SVP) erlitt im Sommer ein Burnout. Er ist damit nicht allein: Jede sechste erwachsene Person in der Schweiz hat schon mal ein Burnout durchgemacht, wie Studien zeigen. Nach zwei Zusammenbrüchen und einem Klosteraufenthalt ist er nun wieder zurück in seinem Büro.
SRF News: Beat Feurer, im Sommer hatten Sie hier in ihrem Büro einen Zusammenbruch. Was ist passiert?
Beat Feurer: Bereits vor dem Zusammenbruch habe ich gemerkt, dass selbst Angenehmes, wie zum Beispiel eine Geburtstagsfeier, mir viel Kraft raubte. Am 3. Juli sass ich im Büro und nichts ging mehr. Ich konnte keinen Satz mehr formulieren. Die Energie, alles war weg.
Was ist das für ein Gefühl?
Absolute Machtlosigkeit. Ich wusste nicht, was passiert. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich sass auf meinem Bürostuhl und habe gemerkt: Ich kann nicht mehr. Ich habe mich hilflos gefühlt.
Sie haben sich zurückgezogen, zuerst für zwei Wochen. Daraus wurde dann aber mehr als ein Monat. Haben Sie ihren Zustand falsch eingeschätzt?
Ja. Ich habe gedacht, ich sei einfach erschöpft und zwei Wochen würden reichen, um wieder fit zu werden. Aber ich habe dann gemerkt: Es ist nicht einfach getan mit ein bisschen mehr schlafen.
Dann sind Sie zurückgekehrt in Ihr Büro – und nach ein paar Tagen hatten Sie wieder einen Zusammenbruch.
Das war schlimm. Ich dachte, ich könne wieder arbeiten. Ich hatte ein falsches Bild von meinem Zustand. Der zweite Zusammenbruch hat mich psychisch sehr belastet. Erst nach einem Aufenthalt in einem Kloster und Gesprächen mit Fachpersonen bin ich zur Ruhe gekommen.
Sie sind eine öffentliche Person. Haben Sie sich für Ihre Situation geschämt?
Als gewählter Politiker habe ich nicht einen Chef, sondern tausende Chefs. Wir Politiker stehen unter Beobachtung.
Von uns Politikern wird erwartet, dass wir perfekt sind.
Es wird erwartet, dass wir perfekt sind, Probleme sofort erkennen und Lösungen aus dem Hut zaubern. Das setzt natürlich zusätzlich Druck auf.
Die Politik ist hart. Hat es dort überhaupt Platz, Schwäche zu zeigen?
Es stimmt, in der Politik wird oft mit harten Bandagen gekämpft. Als es mir schlecht ging, habe ich das aber anders erlebt. Mein Team hat mich, wo immer möglich, entlastet. Auch meine Kolleginnen und Kollegen der Regierung haben sehr verständnisvoll reagiert. In keinem Moment wurde Druck gemacht oder wurden Erwartungen geäussert.
Sie haben in einem Interview mit dem «Bieler Tagblatt» Ihr Burnout publik gemacht. Warum?
Das hat zwei Gründe. Einerseits wurde in Biel bereits gemunkelt, dass beim Feurer etwas im Busch ist. Ich wollte keinen Raum für Spekulationen lassen. Andererseits kann ich so vielleicht anderen Betroffen helfen. Das Interview hat unerwartet viele Reaktionen ausgelöst. Erst heute Morgen hat sich jemand per Brief bei mir bedankt.
Ein Burnout ist aber etwas sehr Persönliches. Wie schwer ist es, sich so verletzlich zu zeigen?
Es war schwierig, meine Erfahrungen offen auf den Tisch zu legen. Auch, weil ich Politiker bin. Aber es war gleichzeitig auch befreiend, hinzustehen und zu erzählen, was ich durchmache und durchgemacht habe.
Fachleute sagen: Ein Rückfall ist vorprogrammiert, wenn man so weitermacht wie davor. Was also haben Sie nun geändert?
Erstens versuche ich, nicht mehr perfekt sein zu wollen. Zweitens habe ich meinen Tagesablauf geändert. Jetzt mache mittags zum Beispiel bewusst eine Pause, manchmal lege ich mich kurz hin. Und drittens arbeite ich an meiner Dankbarkeitskultur. Dankbar zu sein, hilft mir, die Perspektive zu ändern.
Das Gespräch führte Sabine Steiner.