Heute waren die Glocken der Berner Zytglogge bereits um 11:59 Uhr zu hören, sie läuteten den schweizweiten Klimaalarm ein. Auch in anderen Schweizer Städten lärmten Klimaaktivistinnen auf ihren Balkonen und öffentlichen Plätzen.
Wir möchten natürlich sobald wie möglich wieder auf den Strassen für unsere Anliegen kämpfen, jetzt muss jedoch auch die Bevölkerung geschützt werden.
Doch eigentlich hätte der nationale Klimastreik für viel mehr Lärm sorgen sollen. Die Coronakrise machte den Organisatorinnen des Klimastreiks einen Strich durch die Rechnung. Der seit August geplante «Strike for Future» wurde kurzerhand zum Aktionstag «Challenge for Future», bei dem die meisten gemeinsamen Aktivitäten nur in Form von Online-Challenges durchgeführt werden konnten.
«Wir möchten natürlich so bald wie möglich wieder auf den Strassen für unsere Anliegen kämpfen, jetzt muss jedoch auch die Bevölkerung geschützt werden. Daher wollen wir im Moment mit anderen Protestformen den Wandel anstossen», erklärt Lena Bühler, Klimaaktivistin und Mitorganisatorin des Aktionstags «Challenge for Future.»
Die Klimabewegung lebt von der Masse
Ein Wandel mit anderen Protestformen – dies ist laut Michael Hermann, Politologe und Leiter der Forschungsstelle Sotomo, gar nicht so einfach: «Grundsätzlich ist es für die Klimabewegung im Moment sehr schwierig, wieder auf die Agenda zu kommen. Nicht nur, weil Corona alles dominiert, auch, weil man jetzt physisch keine Massenbewegung sein darf.»
Es brauche aber diese Dichte, das Zusammensein und auch die Bilder, um wirksam zu sein, erklärt Hermann. «Man kann versuchen, Aktionen virtuell und online zu ersetzten, aber wirklich gut geht das nicht.» Mittelfristig sei es dann das Klima selbst, das sich zurück auf die Agenda bringe – «beispielsweise, wenn es verrücktspielt, so wie diesen April.»
Laut Michael Hermann kann die Coronakrise für die Klimabewegung jedoch durchaus auch als Chance gesehen werden: «Die Coronakrise zeigt, wie verletzlich der Mensch und wie mächtig die Natur ist. Das könnte zu einer neuen Sensibilität führen.» Schlussendlich hänge es aber auch stark von der wirtschaftlichen Entwicklung ab, wie die Klimathematik gewichtet werde: «Wenn es zu einer langen und tiefen Wirtschaftskrise kommt, wird die wirtschaftliche Erholung zuoberst auf der Agenda stehen, weichere Themen wie das Klima haben dann erfahrungsgemäss weniger Platz.»
Kleinere, physische Proteste
Diesen Platz will sich die Klimabewegung jedoch nicht ganz nehmen lassen. So verging auch der Aktionstag «Challenge for Future» nicht ohne öffentlichkeitswirksame Proteste.
Es ist wichtiger denn je, mit Lärm wieder auf unsere Anliegen aufmerksam zu machen, jetzt wo Fluggesellschaften ohne Klimaziele unterstützt werden.
In über zehn Schweizer Städten lärmten und protestierten die Klimaaktivistinnen auf ihren Balkonen, aber auch auf öffentlichen Plätzen – trotz Versammlungsverbot. So demonstrierten beispielsweise auf dem Züricher Idaplatz pünktlich um 11:59 Uhr rund 30 Klimaaktivistinnen – mit Masken und Transparenten und lauter Musik. Viele kritisierten eben diese Priorisierung der Wirtschaft über die Klimaziele.
«Es ist wichtiger denn je, mit Lärm wieder auf unsere Anliegen aufmerksam zu machen, jetzt wo Fluggesellschaften ohne Klimaziele unterstützt werden», meint der 18-jährige Cyril Szerencsits. Auch die 14-jährige Mira Guggenbühl pflichtet ihm bei: «Für das Klima ist es tatsächlich eins vor zwölf, die Zeit rennt uns davon. Wir stellen immer wieder Forderungen, aber bisher ist noch viel zu wenig in der Politik passiert. Daher riefen wir auch zu diesem Klimaalarm auf dem Idaplatz auf.»