Am Montag erfolgen in der Schweiz mehrere Lockerungsschritte. Läden, Restaurants, Märkte, Museen und Bibliotheken können wieder öffnen, in vielen Schulen findet der Unterricht wieder vor Ort statt. Im Sport sind wieder Trainings möglich. Auch Einreisebeschränkungen werden gelockert. Matthias Egger, Leiter der Covid-19-Taskforce, hat gemischte Gefühle dabei.
SRF News: Am Montag folgt der bisher grösste Lockerungsschritt. Hat es die Bevölkerung in den eigenen Händen, zu verhindern, dass es eine zweite Welle gibt?
Matthias Egger: Ein gutes Stück ja, indem sich die Bevölkerung an die Distanzregeln und die Hygieneregeln hält, aber es sind auch Massnahmen aus dem Gesundheitssystem, die sehr wichtig sind: das Contact-Tracing, das vermehrte Testen. Und auch die neue App, die da einen Beitrag leisten kann.
Seit heute weiss man aber, dass diese App flächendeckend frühestens im Juni eingesetzt werden kann. In Kürze gibt es zwar Tests, aber die sind nur mit wenigen Teilnehmern geplant. Bedauern Sie die Verzögerung?
Ich denke, je früher die App kommt, desto besser. Auf der anderen Seite: Dass man sie zuerst testet, ist gut. Weil man damit sicherstellt, dass sie auch funktioniert, wenn man sie dann breit einführt. Aber klar: Aus wissenschaftlicher Sicht ist jeder Tag früher, an dem man die App anwendet, besser.
Man hat im Zusammenhang mit dem Öffnungsschritt den Eindruck, die Wissenschaft wäre gerne etwas vorsichtiger vorgegangen. Ist Ihnen wohl mit den geplanten Lockerungen?
Ich würde sagen, ich beobachte es mit einer gewissen Sorge. Nicht so sehr als Wissenschaftler, aber als Bürger. Als Wissenschaftler weiss ich, das kann funktionieren. Aber als Bürger befürchte ich, dass sich doch einige Leute nicht an die Regeln halten werden. Und dass doch ein Risiko besteht, dass wir wieder mehr Fälle haben werden. Das würde ich sehr bedauern.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist jeder Tag früher, an dem man die App anwendet, besser.
Als ich heute hier in Bern mit dem Velo durch eine Strasse fuhr, hatte ich den Eindruck, dass die Stimmung – wie soll ich sagen – nicht mehr so in Richtung Distanzhalten geht. Es waren auch viele Familien unterwegs, ich will das nicht überbewerten. Aber trotzdem. Als Bürger denke ich: «Leute, haltet euch daran, jetzt müssen wir weiterfahren, das ist nicht vorbei!» Wir müssen die Regeln einhalten, damit wir nicht wieder mehr Fälle haben.
Von welcher Lockerung wollen Sie ab Montag profitieren?
Ich freue mich am meisten auf einen Restaurantbesuch mit meiner Familie.
Das Gespräch führte Gion-Duri Vincenz.