Mehr als fünf Jahre ist es her, seit die Zürcher Hochschule der Künste einen Vertrag mit dem Harbin Institut of Technology abgeschlossen hat. Zusammen mit Kunsthochschulen aus Stuttgart und Barcelona will die ZHdK in Shenzhen beim Aufbau einer neuen Designhochschule mitwirken. Beim Vertragsabschluss sorgte das Vorhaben kaum für Kritik, heute ist das anders.
Verso, die Studierendenorganisation an der ZHdK, wehrt sich gegen die Zusammenarbeit. In den vergangenen Wochen hat sie Unterschriften für eine Petition gesammelt. Diese will sie nun bei der Hochschulleitung einreichen. Die Studierenden fordern, dass die Zusammenarbeit abgebrochen wird.
Die Studierenden befürchten, dass durch die Kooperation die Freiheit der Kunst und Lehre beschnitten werden könnte, dass Dozierende, die vor Ort unterrichten werden, in Gefahr sind, wenn sie sich kritisch gegenüber China äussern. Sie haben zudem Angst davor, dass Produkte, die an der Hochschule entworfen werden, vom Militär missbraucht werden könnten.
Weshalb kommt diese Kritik erst so viel später?
«Wenn an einer Designhochschule neue Überwachungskameras entwickelt werden, für was werden die dann gebraucht», fragt sich David Bircher, Co-Präsident der Studierendenorganisation Verso. «An einer Designhochschule geht es nicht nur um die Entwicklung ästhetischer Stühle.» Das Beispiel kommt nicht von ungefähr. Das Harbin Institut of Technology hat enge Verbindungen zum chinesischen Militär und die Regierung überwacht die Bevölkerung rigoros.
An einer Designhochschule geht es nicht nur um die Entwicklung ästhetischer Stühle.
Genau deshalb kamen die Studierenden auch ins Grübeln. 2019 war eine Gruppe von Studierenden der ZHdK im Austausch in Hongkong – genau zu der Zeit als in Hongkong die heftigen Proteste gegen die Kommunistische Partei und deren Einfluss in Hongkong stattfanden. Die Studenten filmten die Proteste und realisierten daraus einen Film.
Dieser Film wurde an der ZHdK gezeigt, woraufhin die chinesische Botschaft in Bern intervenierte und die Hochschulleitung darum bat, den Film nicht weiter zu zeigen. Die Hochschulleitung ging nicht auf die Forderung der chinesischen Botschaft ein. Die Studenten machte die Intervention aber trotzdem stutzig.
«Ohne all das wären wir vielleicht gar nicht so kritisch geworden gegenüber dieser Kooperation», sagt Franziska Winkler. Sie ist die Vorgängerin von David Bircher und war während der Proteste Co-Präsidentin von Verso.
Druck von China wächst
Nicht nur die ZHdK spürt den wachsenden Druck Chinas. «Der Aufstieg und der globale Anspruch Chinas fordert auch anderen Bildungsinstitutionen in der Schweiz, Firmen und die Politik», sagt Ralph Weber, ausgewiesener China-Experte und Professor am Europainstitut der Universität Basel. China sei in den letzten Jahren immer autoritärer geworden. «Vor ein paar Jahren waren viele noch voller Hoffnung, dass sich das Land öffnet, aber das bewahrheitet sich nicht – im Gegenteil.»
Wie also kann man mit einem Land kooperieren, das immer autoritärer wird? An der ZHdK arbeitet die Hochschulleitung an einem Wertekatalog für die Zusammenarbeit mit China. Die Hochschulleitung will in diesem Katalog rote Linien definieren. Zum Beispiel soll auf die Freiheit der Kunst und Lehre gepocht werden, oder es soll verlangt werden, dass Innovationen nicht vom chinesischen Militär missbraucht werden.
Wir sind sorgfältiger geworden unter dem jetzigen politischen Klima.
Das glaube er aber sowieso nicht, dass das passiere, sagt Thomas Meier, Rektor der ZHdK. Man werde auch nur mit ganz wenigen Lehrkräften vor Ort sein. Die Hauptaufgabe bestehe darin, internationale Dozentinnen und Dozenten zu rekrutieren, so Meier.
Trotzdem gibt er zu: «Wir sind viel sorgfältiger geworden unter dem jetzigen politischen Klima.» Deshalb nehme man sich nun auch ein Beispiel an Deutschland und entwickle einen solchen Wertekatalog.
Wie realistisch ist es, dass sich China daran hält?
«China wird sich nicht daran halten, das ist uns bewusst», sagt Thomas Meier, Rektor der ZHdK. Aber man brauche eine Richtschnur, mit der klar sei, wann Werte verletzt werden und welche Massnahmen daraus folgen. Thomas Meier will an der Zusammenarbeit festhalten. Das sei richtig, sagt Ralph Weber, trotz sehr kritischer Haltung gegenüber China.
Auf Distanz zu gehen mache wenig Sinn, sagt Weber – zumal die wirtschaftlichen Interessen der Schweiz, aber auch die Interessen an Kooperationen in der Bildung oder in der Forschung gross seien. Ralph Weber wünscht sich aber ein besseres Bewusstsein für die Gefahren, die lauern und dass die Schweiz für ihre Werte einstehe.
Um diese Werte gezielt zu vertreten, wisse die Schweiz aber noch viel zu wenig über China und darüber wie die Kommunistische Partei funktioniere. Ralph Weber fordert mehr Spezialisten beim Bund und China-Zentren, wo Wissen, zum Beispiel von Wirtschaftsverbänden, Bildungsdirektoren und Wissenschaftlern, gebündelt wird.
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