In vielen Innenräumen herrscht «dicke Luft», wie Stichproben zeigen. So zum Beispiel in einer Kindertagesstätte: 12 Personen spielen seit einer Stunde im Raum, die Fenster sind geschlossen. Das Messgerät zeigt einen Gehalt von CO₂ von fast 1200 ppm (parts per million), also «mässige» Luftqualität.
Oder in einem Schulzimmer mit über 20 Jugendlichen, in dem die Fenster während der Lektion wegen des Strassenlärms geschlossen bleiben müssen. Das Gerät misst über 2000 ppm, eine hygienisch «inakzeptable» Luftqualität. Bereits bei mehr als 1000 ppm nehmen Symptome wie Müdigkeit und Konzentrationsstörungen zu, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in einer Empfehlung schreibt.
Wegen schlechter Luft in Klassenzimmern haben viele Schulen bereits gehandelt und CO₂-Messgeräte aufgestellt, die ans Lüften erinnern. Solche Geräte empfiehlt nun auch die Covid-19 Science Task Force des Bundes. Ihr Experte für Aerosole, Roman Stocker, ist Professor für Umweltingenieurwissenschaften an der ETH Zürich. Er findet, es brauche jetzt in der Pandemie mehr CO₂-Sensoren, nicht nur an den Schulen.
«CO₂-Messungen sind eine einfache und niederschwellige Massnahme, ergänzend zu anderen Massnahmen.» Sie sollten breit eingeführt werden, so Stocker. Andere Länder seien da schon weiter: «Irland hat schon vor einigen Wochen alle Schulzimmer mit CO₂-Sensoren ausgerüstet, um die Luftqualität zu garantieren, und Belgien kennt Richtwerte für Bars und Restaurants.»
Schlechte Luft in der vollen Bar
In Belgien müssen Gastronomie- und Fitnessbetriebe sofort schliessen, wenn die Messgeräte mehr als 1200 ppm CO₂ anzeigen. Wie Stichproben zeigen, erreicht in der Schweiz mancher Innenraum höhere Werte. Etwa in einem fensterlosen Raum nach einer Lektion Gruppenfitness. 14 Menschen haben daran teilgenommen. Die Luftqualität ist mit rund 1600 ppm «niedrig».
Oder spätabends in einer Bar: Die Fenster sind geschlossen, die Lüftung scheint defekt zu sein. Der CO₂-Gehalt ist mit über 2100 ppm alarmierend hoch.
Natürlich bedeutet ein hoher CO₂-Gehalt nicht automatisch, dass Covid-19 in der Luft liegt. Aber: Viel Kohlendioxid in der Luft deutet auf eine hohe Konzentration von Aerosolen hin. Ist eine infizierte Person mit im Raum, steigt das Ansteckungsrisiko, weil das Coronavirus auch über die Luft übertragen wird.
Hilfsmittel für energieeffizientes Lüften
GLP-Nationalrat Martin Bäumle fordert, dass Messungen der Luftqualität wichtiger werden im Kampf gegen Corona: «Wenn wir diesen Winter ruhig überstehen wollen, braucht es CO₂-Richtwerte, damit Massnahmen getroffen werden. Lüften, Filter, später bauliche Massnahmen. Es wäre angezeigt, rasch zu handeln.»
Verschiedene Stimmen aus Wissenschaft und Politik fordern, dass die Schweiz beim Lüften aufrüsten soll. Dazu schreibt das BAG auf Anfrage, dass CO₂-Sensoren bereits als Hilfsmittel im Kampf gegen das Coronavirus empfohlen würden. «Die Angabe von CO₂-Richtwerten, welche das Infektionsrisiko in Innenräumen abbilden, ist nicht möglich. Räume können deshalb aufgrund von CO₂-Werten nicht als sicher bezeichnet werden», heisst es weiter.
Das Problem ist laut dem BAG: Je nach Aktivität verbreiten infizierte Personen unterschiedliche Mengen Aerosole – beim Singen etwa sind es besonders viele. Das Infektionsrisiko kann also hoch sein, auch bei guter Luftqualität. Eine Stichprobenluftmessung in einer Chorprobe zeigt: 16 Personen singen in einem Raum mit automatischer Lüftung, der CO₂-Gehalt bleibt unter 1000 ppm.
Es ist keine Garantie, dass das Infektionsrisiko null ist.
Aber bergen CO₂-Messungen nicht die Gefahr, dass man sich in einer falschen Sicherheit wiegt? ETH-Professor Roman Stocker sagt dazu: «Es ist ganz wichtig, dass man richtig kommuniziert. Was ein CO₂-Sensor macht, hilft uns sicherzustellen, dass ein Raum gut gelüftet ist. Aber es ist keine Garantie, dass das Infektionsrisiko null ist.»
Fazit: CO₂-Messgeräte ersetzen andere Schutzmassnahmen nicht – etwa Abstand halten oder Hände waschen. Aber wie die Stichproben zeigen, entlarven sie zuverlässig schlechte Luft – und erinnern ans Lüften.