Die steigenden Fallzahlen fordern die Contact-Tracing-Teams in den Kantonen. Jene Personen also, die alle Kontakte von Infizierten aufspüren und informieren müssen. Bereits warnen erste Kantone, sie kämen an ihre Grenzen.
Zum Beispiel der Kanton Aargau: 13 neue Fälle meldet der Kanton heute, 21 waren es am Mittwoch. Viel Arbeit für die 14 Contact-Tracer. Die Aargauer Kantonsärztin Yvonne Hummel sagt, dass die Aufgaben derzeit bewältigt werden können. «Mit einem schnellen Anstieg der Fallzahlen könnten wir aber an die Grenzen kommen. Das Team ist voll ausgelastet.»
Wenn die Fallzahlen weiter zunehmen, werden vor allem grössere Kantone mit vielen Fällen an die Grenzen kommen.
Ähnlich tönt es in Zürich. Und der St. Galler Gesundheitsdirektor Bruno Damann sagt gar im St. Galler Tagblatt, man stehe an einem kritischen Punkt. Das Alter der Neuinfizierten erschwere die Sache zusätzlich. «Junge Leute haben tendenziell mehr Kontakt.» Wenn ein Jugendlicher im Dorf unterwegs sei und ständig Leute treffe, sei es schwierig, sämtliche Kontakte zu eruieren.
Taskforce-Leiter kritisiert Kantone
An verschiedenen Orten sind die Contact-Tracer am Limit. Müssen sie also schon wieder aufgeben – so wie Anfang März, zehn Tage vor dem «Lockdown», als viele Kantone die Fälle schon nicht mehr nachverfolgten? Nein, oder noch nicht, sagt der oberste Kantonsarzt der Schweiz, der Zuger Rudolf Hauri. Die Kantone seien vorbereitet und würden die Lage noch stemmen. «Aber wenn die Fallzahlen weiter zunehmen, werden vor allem grössere Kantone mit vielen Fällen an Grenzen kommen.»
Dass diese Grenzen in einzelnen Kantonen bereits sichtbar werden, hört der Leiter der wissenschaftlichen Corona-Taskforce des Bundes, Matthias Egger, nicht gerne. «Das macht mir Sorgen. Gelockert wurde bekanntlich aufgrund der Einschätzung, dass die Kantone bereit seien, einen Anstieg der Fälle zu bewältigen und mit vermehrtem Testen, Tracen, Isolieren und Quarantäne eine zweite Welle zu verhindern.»
Seit Anfang März hätten die Kantone nun Zeit gehabt, um das Contact Tracing auszubauen. Noch immer aber fehle eine einheitliche Datenbank, mit der sich quasi in Echtzeit verfolgen lasse, was eigentlich abgehe, so Egger. «Das ist offenbar nicht gelungen. Es wäre auch gut gewesen, einen Ausbruch zu simulieren, damit man wirklich bereit ist.»
Haben die Kantone die vier Monate ungenutzt verstreichen lassen? Nein, erwidert Kantonsarzt Hauri. Die Kantone hätten die Zeit durchaus genutzt, um Teams auszubilden und zu erweitern. Aber: «Man kann nicht unendlich Personen aufbieten und ausbilden. Und man kann auch nicht unendlich Gespräche führen und Kontakte eruieren.»
Deutlich weniger als 200 Contact-Tracer dürften derzeit schweizweit am Werk sein, wie eine Umfrage von SRF mit Antworten von bislang 16 Kantonen zeigt. Die wissenschaftliche Taskforce des Bundes hingegen rechnete – mit Verweis auf andere Länder – einmal mit 2000.
Kantone rüsten auf
Sind in der Schweiz schlicht viel zu wenige Contact-Tracer im Einsatz? «Die absolute Anzahl ist weniger wichtig als die Möglichkeit, diese Kapazität sehr rasch – auch in einem Tag – deutlich zu steigern», sagt Taskforce-Leiter Egger. Viele Kantone stocken ihre Contact-Tracing-Teams derzeit tatsächlich auf – wobei das wohl deutlich länger als einen einzigen Tag dauert.
Noch hoffen die Kantone, dem Virus möglichst lange auf der Spur bleiben zu können. Die Nachverfolgung der Fälle bleibt nicht das einzige, aber ein wichtiges Mittel im Kampf gegen eine erneute Ausbreitung.