Fanny Kerstein, Zürich und Schaffhausen: In Zürich gilt für Corona-Massnahmen das Motto: «So viel wie nötig, so wenig wie möglich.» Der Zürcher Regierungsrat gewichtet die wirtschaftliche Lage, aber auch die persönliche Freiheit, sehr hoch. Obwohl der Kanton Zürich punkto Fallzahlen an dritter Stelle steht, hinter Waadt und Genf, ist nach wie vor vieles möglich: Kinos, Restaurants und Fitnesszentren sind offen, in den Spitälern wird operiert. Auch ins Bordell darf Mann – dort muss er – und das ist eine Zürcher Spezialität – allerdings einen amtlichen Ausweis vorzeigen.
Der Kanton Schaffhausen legt ein besonderes Augenmerk auf die Landesgrenzen. Die sollen geöffnet bleiben. Würden die Grenzen wie im Frühling geschlossen, müssten lange Umwege in Kauf genommen werden.
Massimo Agostinis, Basel: Der Kanton Basel-Stadt hat schon früh die Maskenpflicht in Geschäften, Restaurants und öffentlichen Gebäuden verfügt, lange bevor der Bund nachzog. Der Baselbieter SVP-Gesundheitsdirektor Thomas Weber sträubte sich lange dagegen, nachzuziehen. In der engen Stadt war die Dringlichkeit für Masken vermutlich eher gegeben als auf dem Land.
Die Basler Innenstadt pulsiert nach wie vor.
Beide Kantone weisen derzeit die tiefsten Coronazahlen in der ganzen Schweiz auf. Die Trams nach Deutschland sind fast so voll wie vor Corona und der Einkaufstourismus blüht. Auch die Basler Innenstadt pulsiert und viele Restaurants sind am Wochenende voll.
Marielle Gygax, Bern: Der Kanton Bern geht nicht ganz so weit wie die Westschweiz, es gelten jedoch strengere Massnahmen als in den meisten Deutschschweizer Kantonen. So bleiben Museen oder Fitnesscenter geschlossen und auch unter 16-Jährige dürfen im Kanton Bern keine Kontaktsportarten ausüben.
Die Kantonsregierung betont immer wieder, wie angespannt die Situation ist und wie wichtig es ist, die Massnahmen einzuhalten. Die Regeln sind streng und trotzdem ist das alltägliche Leben nicht zum Erliegen gekommen. Vielerorts scheint Normalität zu herrschen, zum Beispiel auf Spielplätzen, die im Vergleich zum Frühling nicht mehr geschlossen sind. Insbesondere an schönen Wochenenden herrscht draussen reges Treiben. Man gibt sich zwar Mühe, lebt aber nicht mehr so eingeschränkt wie im Frühling.
Christiane Büchli, Aargau: Im Aargau bewegen sich die Coronafallzahlen im Mittelfeld. Es gab keine Superspreader-Jodelfeste, dafür die Jubiläumsfeier im Shopping-Center-Tivoli in Spreitenbach, bei der die Menge nach Rabattlosen griff und für Schlagzeilen sorgte.
Restaurants, Fitnesscenter, Bars sind im Aargau geöffnet, statt Fitnesstraining im gewohnten Studio gilt nun Sport im Dachstock der Metallfirma nebenan. Mit solchen Ausweichmöglichkeiten wird die neue Quadratmeter-Vorschrift eingehalten. Auch Kinder unter 16 dürfen im Aargau zum Fussballtraining. Kurz: Das Leben in der Region ist machbar, mit etwas schärferen Corona-Regeln, aber nicht den schärfsten im Land.
Katrin Keller, Ostschweiz: Die Spitalbetten füllen sich auch in der Ostschweiz. Auf der Intensivstation des Kantonsspitals St. Gallen sind die Kapazitäten hochgefahren und die Stadt empfiehlt die generelle Maskenpflicht.
In Appenzell Innerrhoden kann das Contact-Tracing längst nicht mehr alle Kontakte nachverfolgen.
Einen Schritt weiter geht die Thurgauer Hauptstadt Frauenfeld mit der definierten Maskenpflicht für den Bahnhof und die ganze Altstadt. In Appenzell Ausserrhoden setzt die Regierung den kantonalen Führungsstab ein, eröffnet in Teufen ein Testzentrum und bietet dort Schnelltests an. Auch im lange verschonten Appenzell Innerrhoden kann das Contact-Tracing längst nicht mehr alle Kontakte nachverfolgen.
Der Kanton Glarus geht in die Offensive und erlaubt teilweise Heizpilze vor Restaurants, damit die Gastrobranche im Winter ihr Geschäft nach draussen verlegen kann.
Silvio Liechti, Graubünden: Im Tourismuskanton ist die Unsicherheit vor der Wintersaison gross: Vieles ist noch ungewiss. Den Gemeinden kommt die Bündner Regierung mit einer notrechtlichen Verordnung entgegen: Abstimmungen und Wahlen auf kommunaler Ebene sind an der Urne möglich und auf eine Bürgerversammlung dürfen die Bündner Gemeinden vorläufig verzichten.
Beat Vogt, Zentralschweiz: Nachdem vor ein paar Wochen einige grössere Ansteckungsfälle – insbesondere im Kanton Schwyz – bekannt geworden sind, scheint sich die Lage in der Zentralschweiz zu stabilisieren.
Die Regierungen der sechs Kantone gehen nur mit wenigen Regeln weiter, als der Bund vorschreibt. So haben etwa Schwyz, Uri, Ob- und Nidwalden die Anzahl erlaubter Personen bei Veranstaltungen von fünfzig auf dreissig reduziert. In Luzern wiederum gilt Maskenpflicht bei Autofahrten mit Personen, die nicht im gleichen Haushalt leben. Erotik- und Sexbetriebe sind geschlossen.
Mirjam Mathis, Westschweiz: Das öffentliche Leben steht fast still, alle die können, sind aufgefordert im Homeoffice zu arbeiten und auch privat gibt es viele Restriktionen. In Genf zum Beispiel dürfen sich noch höchstens fünf erwachsene Personen treffen, auch in den eigenen vier Wänden. Alle Westschweizer Kantone sind zu europäischen Hotspots geworden. Den ersten Platz mit den meisten Neuinfektionen pro 100’000 Einwohner belegt seit ein paar Tagen Genf, aber auch die anderen Kantone sind in den Top 10.
Die Lage ist sehr angespannt. Die Intensivstationen in der Westschweiz haben stark aufgestockt, gelangen aber dennoch an ihre Kapazitätsgrenzen. Deshalb wurden in den letzten Tagen bereits 34 Corona-Patienten von Westschweizer Spitälern in die Deutschschweiz verlegt.
Die Massnahmen sind in der Westschweiz härter als in der Deutschschweiz, überall sind Bars und Restaurants geschlossen. In Genf sind die Massnahmen am strengsten, dort sind seit Anfang November sogar die «nicht lebensnotwendigen» Geschäfte geschlossen, mit ein paar wenigen Ausnahmen wie Buchhandlungen oder Blumenläden.
Karoline Thürkauf, Tessin: Für das Tessin ist diese Pandemie ein Marathon. Das betont die Regierung immer wieder in ihren zahlreichen Auftritten. Denn die angespannte Lage vom Frühling steckt den Menschen noch in den Knochen. Es ist vor allem die ungewisse Zukunft, die den Tessinerinnen und Tessinern zusetzt. Sicher ist: Die Tessiner Regierung will einen zweiten Lockdown unbedingt verhindern.
Die Massnahmen werden schrittweise den Fallzahlen angepasst, sie sind jeweils schärfer als die des Bundesrates. Tessinerinnen und Tessiner trugen schon lange vor dem Obligatorium Masken, die Akzeptanz für Masken in der Schule ist gross, im Tessin gilt Maskenpflicht ab der Mittelstufe.
Die jüngsten Massnahmen der Regierung, ein Versammlungsverbot von mehr als fünf Menschen, sorgte für massive Verärgerung der Tessiner Kulturschaffenden. Sie fühlten sich stark benachteiligt, im Gegensatz zu den Restaurantbetrieben, die noch Gäste empfangen dürfen. Auf ihren Widerstand hin hat die Regierung jetzt veranlasst, dass für Theater und Kinos, wie für kirchliche Feiern eine Obergrenze von 30 Personen gilt.
Noch, denn die Tessiner Regierung hat unlängst klargemacht, dass wenn die Zahlen weiter steigen, der Lockdown unabwendbar ist.