Fast 100 Personen des Asylzentrums Aarwangen dürfen die Unterkunft nicht mehr verlassen. Der Grund: Mindestens 19 Bewohnerinnen und Bewohner haben sich mit dem Coronavirus angesteckt. Das Zentrum ist vom Kanton unter Quarantäne gestellt worden. Auch der Kindergarten und die interne Schule sind geschlossen.
Wir haben fast nichts zu tun in unserer Isolation.
«Wir sind isoliert in einem Raum», erzählt der 19-jährige Bewohner Saeed Farkhondeh. Der Iraner ist mit seiner Familie seit acht Jahren in der Schweiz. Weil ihr Asylgesuch abgelehnt wurde, sollten sie das Land verlassen. «Wir können derzeit in der Isolation nicht viel tun», erzählt er. Bekannte und Freunde stellen Essen vor die Türe. Farkhondeh kritisiert die engen Platzverhältnisse im Zentrum sowie die sanitären Einrichtungen.
Die Corona-Pandemie ist für die Asylzentren eine grosse Herausforderung – egal, ob sie – wie im Fall von Aarwangen – unter Quarantäne stehen oder nicht.
«In einer Kollektivunterkunft leben verschiedene Menschen nahe aufeinander und benützen die gleichen sanitären Einrichtungen», sagt Lea Münger vom Roten Kreuz des Kantons Bern, das mit anderen Organisationen für den Betrieb von Asylzentren verantwortlich ist.
Gemeinschaftsräume sind das Gegenteil von dem, was in einer Pandemie sinnvoll ist. Derzeit sollte man Kontakte meiden, statt andere in Küchen oder Gemeinschaftsräumen zu treffen. «Wir versuchen darauf zu achten, dass die Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden.» Schwierig ist das Umsetzen der Maskenpflicht. «Die Asylzentren sind das Zuhause der Bewohnerinnen. Daheim eine Maske zu tragen ist natürlich für viele sehr ungewohnt», sagt Münger.
Corona-Massnahmen in den Zentren
Werden die Massnahmen eingehalten? Klappt das Zusammenleben in dieser schwierigen Situation? Die Antwort fällt unterschiedlich aus. «Es kommt darauf an, welche Leute in den jeweiligen Asylzentren leben», sagt SRF-Redaktor Christian Liechti, der mit verschiedenen Betreibern von Berner Asylzentren gesprochen hat. «Es spielt eine Rolle, ob es Familien mit Kindern sind, welche in der Schweiz bleiben dürfen, oder junge Männer, die das Land verlassen sollten.»
Bei Menschen mit einem negativen Asylentscheid komme neben der persönlichen Krise nun auch noch eine Gesundheitskrise hinzu. «Quarantäne und Isolation verschlechtern die ohnehin schon schwierige Situation zusätzlich.»
Die unterschiedlichen Betreuungssituationen
Familien mit Kindern kommen zum Beispiel in der Kollektivunterkunft Bärgsunne Hondrich bei Spiez unter. Da habe man sich gut mit der speziellen Situation arrangiert, sagt Leiterin Barbara Jost. «Alle helfen sich gegenseitig.» Wichtig sei auch, dass die Schule offen haben – ein Stück Normalität in diesen Zeiten. «Die Stimmung ist gut».
Anders sieht es im Rückkehrzentrum Aarwangen aus, das nun unter Quarantäne gestellt wurde. Hier sind Menschen untergebracht, die einen negativen Asylentscheid erhalten haben.
Die Situation darf man nicht unterschätzen.
Die ORS Service AG betreibt das Zentrum. Unternehmenssprecher Lutz Hahn berichtet von einer angespannten Stimmung. «Diese bekommen auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu spüren.» Er sprich auch von Angriffen aufs Personal. «Man darf die Situation nicht unterschätze. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben kaum Perspektiven und werden manchmal ausfällig.»
Laut Lutz Hahn haben sich in den vergangenen Wochen längst nicht alle an die Corona-Massnahmen gehalten. «Wer sich nicht daranhält, wird der Polizei gemeldet.» Und zwar konsequent.