Öffnungen bisher ohne Folgen: Beim Bundesamt für Gesundheit zeigt man aufgrund der derzeit rückläufigen Corona-Zahlen eine gewisse Zuversicht: «Es gibt weiterhin guten Grund, verhalten optimistisch zu bleiben», sagte Patrick Mathys, Leiter Krisenbewältigung beim BAG. Die Öffnungsschritte im April hätten bislang keine negativen Auswirkungen auf den Verlauf der Pandemie gehabt, zog Mathys eine erste Bilanz. Mathys gab sich auch optimistisch, dass sich in den nächsten Wochen eine weitere Entspannung einstellen werde. Bedingung sei aber, dass die Impfkampagne in «maximalem Tempo» fortgeführt werde und die Risikogruppen bis zur Impfung geschützt würden.
50- bis 60-Jährige besonders gefährdet: Trotz zuversichtlich stimmender Zahlen machten die Fachexpertinnen und -experten klar, dass die Lage insbesondere in den Spitälern fragil bleibt. Die britische Virusvariante führt etwa 50 Prozent häufiger zum Tod als die zuvor dominierende Virusvariante. Immer mehr Hospitalisierte müssten zudem auf der Intensivstation behandelt werden, sagte Urs Karrer, Vizepräsident der wissenschaftlichen Covid-19-Taskforce des Bundes. Seien es in der ersten Welle 15 Prozent gewesen, seien es nun 30 Prozent der Hospitalisierten, die auf die Intensivstation verlegt werden müssten, so Karrer. Mit dem neuen Virus seien auch 50- bis 60-Jährige zur Risikogruppe geworden. Erkrankte dieser Altersgruppe würden vermehrt hospitalisiert.
Die Belastung des Personals auf den Intensivstationen sei zudem hoch. Wichtige Operationen wie Tumor-Entfernungen müssten verschoben werden. Die grosse Chance sei die Impfung: «Wir gehen davon aus, dass eine Immunität von 80 Prozent der Bevölkerung notwendig ist, damit wir diese Virusvariante bekämpfen können», sagte Karrer.
Corona-Impfung für Kinder: Für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahren ist bislang noch kein Impfstoff zugelassen. Karrer plädierte aber dafür, auch bei ihnen aufs Tempo drücken. Denn wenn Kinder und Jugendliche nicht durch Impfung geschützt würden, müsste man damit rechnen, dass in den nächsten zwei Jahren mehrere hundert Kinder mit einem schweren Verlauf mit schwerem Entzündungssyndrom auf Intensivstationen behandelt werden müssen. Das wären dann mehr, als mit bakterieller Hirnhautentzündung. Und gegen die Hirnhautentzündung würden Kinder ja auch geimpft. «Aus medizinischer Sicht ist es sinnvoll, Kinder gegen das Coronavirus zu impfen», sagte Karrer. Und bis zur Impfung sollte man versuchen, sie zu schützen. Allerdings rechnet der Mediziner nicht mit einer Impfung von Kindern unter sechs Jahren im laufenden Jahr. Da brauche es bei der Dosierung noch Abklärungen. Aber Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 16 könnten bis Ende Jahr geimpft sein.
Hohe Impfkapazitäten: Die Berner Kantonsärztin Linda Nartey erklärte, dass die Impfkapazitäten derzeit höher seien als die verfügbaren Impfstoff-Mengen. «Daher wird der Impfstoff bei Anlieferung auch rasch verabreicht», so Nartey, die auch Vizepräsidentin der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte ist. In den kommenden Wochen würde zudem praktisch in allen Kantonen die Impfkampagne auf sämtliche zugelassene Personengruppen ausgeweitet, wie dies bereits in verschiedenen Kantonen der Fall ist. Nartey appellierte an die Bevölkerung, sich unbedingt im jeweiligen Wohnkanton bereits für das Impfen zu registrieren, auch wenn die entsprechende Altersgruppe noch nicht dran sei. Dies gebe den Kantonen eine bessere Übersicht zur Situation.