Starke Müdigkeit und Kopfschmerzen, Atemnot, Wortfindungsstörungen – all das sind Symptome, unter denen Menschen auch noch Monate nach einer Corona-Infektion leiden können. Solche Fälle bezeichnet man als «Long Covid» - und dass die von solchen Symptomen betoffenen Menschen genügend Hilfe erhalten in der Schweiz, dafür setzt sich Che Wagner ein.
Von Beruf ist der 33-Jährige aus Basel Campaigner. Er organisiert und führt Politik-Kampagnen im Netz durch. So war er massgeblich an der Kampagne für ein bedingungsloses Grundeinkommen beteiligt, ebenso wie am Abstimmungskampf gegen die elektronische ID. Nun lobbyiert er für Menschen, die an den Spätfolgen von Corona leiden. Am Mittwoch debattierte der Nationalrat über einen parlamentarischen Vorstoss, den Wagner angestossen hat.
Persönlich betroffen
«Long Covid ist durch meine Partnerin in mein Leben gekommen», erklärt er. Letzten Herbst ist sie an Corona erkrankt. Einen schweren Verlauf habe sie nicht gehabt. Nach zehn Tagen schien alles überstanden. «Doch dann tauchten plötzlich erneut Symptome auf, die waren wirklich heftig», erinnert sich Wagner. Ohnmachtsanfälle, Übelkeit, rasanter Pulsanstieg bei der kleinsten Bewegung setzten seiner Partnerin zu. «Ein normales Leben war nicht mehr möglich. Sie brauchte einen Rollstuhl.»
Ein normales Leben war nicht mehr möglich.
Wagner begann zu recherchieren und mit Fachpersonen zu reden. Ihm fiel auf, dass Long Covid mitten in der zweiten Welle noch überhaupt nicht auf dem Radar von irgendjemanden war. «Das Thema hatte keine Lobby. Damals beschäftigten sich alle mit den extrem hohen Ansteckungszahlen.»
Den Stein ins Rollen gebracht
Der Netz-Aktivist setzte einen Tweet ab und wollte wissen, wer ähnliches erlebte, wie seine Partnerin. «Die starke Resonanz hat mich überwältigt». Ebenso wie die Verzweiflung vieler Betroffenen. Wagner und seine in der Zwischenzeit gegründete Bewegung «Allianz Long Covid» verfasste einen offenen Brief an den Bundesrat, den zehntausend Personen unterschrieben. Eine Antwort hätten sie jedoch nie erhalten.
Es braucht mehr Forschung und Wissen, um Betroffenen zu helfen.
«Deshalb beschlossen wir, das Parlament einzuschalten», sagt der Campaigner. Am Mittwoch beschäftigte sich der Nationalrat mit einer Motion, bei welcher es um Interessen von Long-Covid-Betroffenen geht. Der Vorstoss fordert den Bundesrat unter andrem auf, gezielt Forschungsprojekte zu Long Covid zu finanzieren. So wie es auch vor vielen Jahren bei HIV der Fall gewesen sei.
«Es braucht mehr Wissen, um Betroffene adäquat zu behandeln», findet Wagner. Ausserdem brauche es Klarheit, dass Krankenkassen die Behandlungskosten auch längerfristig übernehmen.
Corona-Leugner feinden ihn an
Überhaupt würden viele Menschen die potenziellen Langzeitfolgen durch Corona nicht ernst nehmen. Wer das ändern möchte und sich öffentlich dazu äussert, der exponiere sich extrem, so Wagner. «Gerade aus der Ecke der Corona-Leugner kommt sehr viel Widerstand und Diffamierungsversuche über die sozialen Medien.» Kein Wunder, hätten viele nicht den Mut, sich öffentlich einzusetzen.
Wer sich zu Long Covid äussert, wird in den sozialen Medien massiv angefeindet.
Wagner lässt sich davon nicht einschüchtern. Erste Erfolge geben im Recht. So gibt es mittlerweile Anlaufstellen für Betroffene von Long Covid und das Bundesamt für Gesundheit richtete vor wenigen Tagen eine Internetseite zum Thema ein. Ein Schritt in die richtige Richtung, findet Wagner. Doch noch lange nicht genug. Denn er ist sich sicher: «Die Folgen von Corona-Infektionen werden uns als Gesellschaft noch lange beschäftigen.»