Lähmende Müdigkeit, Kopfschmerzen, Husten oder Atemnot: Ein Teil der an Covid-19-Erkrankten kämpft mit erheblichen Langzeitfolgen. Wie viele davon betroffen sind, liess sich bisher kaum abschätzen. Nun bringt die bisher umfassendste Schweizer Studie zum Thema Licht ins Dunkel.
Das Team des Zürcher Epidemiologen Milo Puhan hat 437 Patienten befragt. Die wichtigsten Resultate der Studie werden in den nächsten Tagen auf der Website des Forschungsprogramms Corona Immunitas veröffentlicht. Der «Rundschau» liegen ausgewählte Zahlen vorab vor.
Abstract zur Studie
Insgesamt 26 Prozent gaben an, sich sechs Monate nach der Infektion noch nicht ganz erholt zu haben. Als häufigste Beschwerden nannten die Betroffenen starke Müdigkeit und Husten. Mindestens jeder zehnte dieser Long Covid-Betroffenen ist noch in einem schlechten Gesundheitszustand und im Alltag sehr eingeschränkt.
Die hohen Zahlen haben Puhan überrascht. Denn in der Studie seien auch Patienten mit leichtem oder sogar symptomfreiem Verlauf enthalten. «Bei einem schweren Verlauf ist das Risiko, unter Langzeitbeschwerden zu leiden höher – aber es gibt sie auch nach leichtem Verlauf.»
Bis zu 300'000 Long Covid-Betroffene
Von den Patienten, die während des Infekts hospitalisiert gewesen waren, litten 39 Prozent noch unter mindestens einem Symptom. Bei den Betroffenen mit leichtem bis mittelschwerem Verlauf, sind es 23 Prozent. Puhan sagt, es sei wichtig, die Zahl der Long Covid-Betroffenen zu kennen. «Das Gesundheitswesen und das Sozialsystem müssen parat sein, die Hausärzte müssen wissen, was auf sie zukommt.»
Die Dunkelziffer miteinbezogen, rechnet der Epidemiologe mit bisher 1.3 bis 1.5 Millionen Infizierten. Es dürften also 250'000 bis 300'000 von Long Covid betroffen sein. «Gut möglich, dass diese Beschwerden bei einigen Patienten länger dauern», sagt Puhan.
Gesundheitskommissionen fordern Bericht
Long-Covid-Betroffene haben sich in Selbsthilfe-Gruppen auf Facebook organisiert, im Dezember hat sich eine Gruppe um den Politaktivisten Che Wagner mit einem offenen Brief an den Bundesrat gewandt. Nun ist das Thema im Parlament angekommen: Die Gesundheitskommission SGK des Ständerats fordert vom Bundesrat einen Bericht zu Long Covid. Die Regierung solle darlegen, welche Massnahmen es brauche, um die Behandlung und deren Finanzierung sicherzustellen.
Die Zürcher SP-Nationalrätin Mattea Meyer wird am Freitag das gleichlautende Postulat in der SGK des Nationalrats einreichen, um den Druck auf die Regierung zu erhöhen. «Viele Betroffene leiden stark und sind verunsichert. Es braucht jetzt unbedingt eine Strategie für den Umgang mit Long Covid. Vor allem auch, um negative Folgen auf die Gesundheitsversorgung und Sozialwerke abzufedern.»
Beim Krankenkassenverband rechnet man mit zusätzlichen Kosten für Covid-Langzeitfolgen. «Konkret sind dies psychische oder körperliche Beschwerden im Nachgang einer Corona-Infektion. Wie hoch diese ausfallen, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen», schreibt Santésuisse auf Anfrage.
Mehrere Uni-Kliniken haben bereits auf das neue Syndrom reagiert und bieten spezielle Post-Covid-Sprechstunden an. Die Non-Profit-Organisation Lunge Zürich hat eine Online-Plattform in Aussicht gestellt, auf der Betroffene und Fachleute Wissen und Erfahrung austauschen können.