Nur eine Woche nach der Ausweitung der Masken- und Zertifikatspflicht bedingen die weiterhin steigenden Spitaleintritte eine baldige nächste Verschärfung der Corona-Massnahmen. Zur Debatte steht neben schärferen 2G-Regeln auch die Schliessung von Restaurants und Bars. «Es ist nicht zu spät», meint Gesundheitsminister Alain Berset im Interview.
SRF News: Nicht zum ersten Mal hat man den Eindruck, der Bundesrat wartet und wartet – und handelt erst dann, wenn es nicht mehr geht.
Alain Berset: Es ist nicht zu spät. Es ist der richtige Moment, um die Diskussion zu beginnen. Wir hatten gehofft, es braucht sie nicht. Wir haben erst kürzlich Massnahmen getroffen, aber wir müssen uns vorbereiten. Wenn es nicht reicht, werden wir nicht erlauben können, dass unser Spitalsystem überlastet wird.
Die Situation ist nicht vergleichbar mit Österreich.
Haben Sie genaue Zahlen, wann Sie wirklich handeln wollen?
Dies hat mit der Auslastung der Spitäler und der Dynamik zu tun. Wir versuchen, das Optimum zwischen öffentlicher Gesundheit, Sozialleben, wirtschaftlichem Leben und auch einer offenen Schweiz zu finden. Das ist zugegeben nicht einfach.
Man hätte nach Österreich schauen können, dort hat man reagiert. War es nicht ein Fehler, dass man nicht bereits früher intensiver gebremst hat?
Die Situation ist nicht vergleichbar mit Österreich. In Österreich haben sie einen Lockdown gemacht, alles geschlossen. In der Schweiz versuchen wir, solch eine Situation zu verhindern.
Hätte es für das aber nicht früher schärfere Massnahmen gebraucht?
Nein. Wir glauben, dass es reicht, diese Diskussion nun zu führen. Die Massnahmen sind hart, das wird keine einfache Situation.
Eine dieser Massnahmen ist die 2G-Regel. Sie haben vor einem Monat gesagt: «Ich glaube nicht, dass das ein Thema wird». Da haben Sie sich ziemlich verschätzt.
Man muss in dieser Situation immer wieder bescheiden sein. Man kann durchaus optimistisch sein, ich war immer eher optimistisch. Ich hätte gedacht, an Weihnachten sei alles vorbei, das hätte ich letzten August noch gesagt; dem ist aber nicht so. Wir müssen mit dieser Realität leben.
Die zwei Varianten zeigen, welche Optionen wir noch zur Verfügung haben; das sind nicht mehr viele.
Zum ersten Mal würde damit eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, die Nicht-Geimpften, vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.
Ja, von öffentlichen Räumen, Innenräumen. Sich impfen zu lassen oder nicht, ist ein freiwilliger Entscheid. Dies muss auch weiterhin so bleiben. Es ist auch ein Entscheid, der in einer schwierigen Situation Auswirkungen haben kann. Die 2G-Regelung würde jedoch nicht überall gelten. Man könnte sich nach wie vor an vielen Ortschaften treffen.
Wieso schlagen Sie zwei Varianten vor?
Es zeigt, welche Optionen wir noch zur Verfügung haben; das sind nicht mehr viele. Man kann versuchen, die Ansteckungen zu vermindern, zu reduzieren oder es gibt Schliessungen.
In Österreich haben sich die Zahlen nach dem Lockdown halbiert. Warum nicht diese Variante?
Wir sind der festen Überzeugung, dass es anders machbar ist und tun alles, damit es möglich wird, die Kontrolle über die Pandemie zu haben, ohne Schliessungen machen zu müssen.
Was haben Sie für Anzeichen, dass es wirklich funktionieren kann? Die Zeit wird immer knapper.
Die Massnahmen alleine bringen nichts. Was bringt etwas? Dass wir die Kontakte reduzieren, dass wir vorsichtig sind, dass wir Distanz halten, und dass wir Maske tragen. Es ist unser Verhalten, das uns hilft. Wir haben in den letzten zwei Jahren gezeigt, dass, wenn die Bevölkerung in der Schweiz mitmacht, es gute Resultate bringt.
Das Gespräch führte Gion-Duri Vincenz.