Vor dem heutigen Bundesratsentscheid herrscht unter anderem in der Gesundheitsbranche Uneinigkeit, wie rasch die Lockerungen der Corona-Massnahmen vorangetrieben werden sollen. So drängt etwa die Privatklinik-Gruppe Hirslanden auf raschere Erleichterungen, was den Verband der Pflegefachleute wie auch andere Spitäler verwundert.
«Die unterschiedlichen Positionen in der Gesundheitsbranche sind schon etwas irritierend», stellt Ruth Humbel fest, Präsidentin der nationalrätlichen Gesundheitskommission SGK. Noch gebe es nämlich stark belastete Spitäler, wo das Personal nach einjährigem Kampf gegen die Pandemie in einer angespannten Lage sei. Gewisse Spitäler seien aber auch ein wenig verschont geblieben und wollten nun offenbar wieder intensiver operieren.
Lage weiterhin «heikel»
Die Schweiz stecke weiterhin in einer heiklen Situation mit hohen Werten, betont die Mitte-Politikerin: «Wir wissen nicht, wie das mutierte Virus wirken kann, stehen am Beginn der Impfkampagne und müssen auch das Testen intensivieren.»
Bei dieser instabilen Lage sei es einfach etwas fahrlässig, zu schnelle Öffnungen zu fordern. Nicht zuletzt müsse dafür auch das Contact Tracing wirklich funktionieren, um Ansteckungsherde schnell zu erkennen.
Bei der instabilen Lage ist es einfach etwas fahrlässig, zu schnelle Öffnungen zu fordern.
Jojo-Effekt vermeiden
Auch die Gesundheitskommission des Nationalrats hat jetzt schnellere Öffnungsschritte verlangt. Humbel betont, dass sie selbst die baldige Öffnung von Restaurants nicht unterstützen könne. Nach den Erfahrungen vom letzten Herbst müsse nun unbedingt vermieden werden, dass es zu einem Jojo-Effekt komme.
Die Öffnung von Restaurants ins Covid-Gesetz aufzunehmen, hält sie deshalb staatspolitisch und sachlich für völlig falsch: Denn in dieser Phase müsse der Bundesrat zusammen mit den Kantonen gestützt aufs Epidemiengesetz entscheiden. Bei steigender Fallzahlen und steigender Belastung der Spitäler müsse der Bundesrat reagieren können.
«Nachvollziehbare Entscheide»
Humbel fordert nun vom Bundesrat «gut überlegte, stimmige und nachvollziehbare Entscheide» und eine klare Kommunikation.
So sei zum Beispiel nicht verständlich, wenn in den in kantonaler Kompetenz stehenden Skigebieten mit einem Take-Away die Leute nicht auf einer Terrasse sitzen könnten. Denn dort sei der Abstand möglicherweise gar besser einhaltbar: «Da fordere ich doch die Einsicht des Bundesrats, dass Restaurants in Skigebieten für Take-Away nicht unter die Restaurant-Lösung fallen.»
Wir sind nach wie vor darauf angewiesen, dass sich die Bevölkerung an die Weisungen hält.
Als weiteres Beispiel nennt sie die Fünferregel für Haushalte, wo eine fünfköpfige Familie die Grosseltern nicht einladen dürfe, während sich fünf Singles treffen könnten. «Wir sind nach wie vor darauf angewiesen, dass sich die Bevölkerung an die Weisungen hält, sonst kriegen wir die Ansteckungszahlen nicht runter», so Humbel. Das müsse das Ziel sein, um weitere Öffnungsschritte realisieren zu können.