Polizisten und Polizistinnen sind verantwortlich für die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung – und die Einhaltung der Gesetze. Nun setzen sich angeblich einige von ihnen unter dem Titel «Wir für euch» für weniger Corona-Massnahmen und gegen das Covid-Zertifikat ein.
Das Mitglied, dessen Stimme im ersten Video der Gruppe zu hören ist, ist bei der Kantonspolizei St. Gallen angestellt. Er habe sich bei seinem Arbeitgeber gemeldet, bestätigte Hanspeter Krüsi, Mediensprecher der Kantonspolizei, gegenüber SRF. Mit welchen Konsequenzen muss dieser Mann nun rechnen? Und was dürfen Polizistinnen und Polizisten eigentlich?
Dürfen Polizistinnen und Polizisten ihre Meinung frei äussern? «Selbstverständlich haben auch ein Polizist und eine Polizistin Meinungsäusserungsfreiheit und können sich auch zu politischen Fragen äussern», sagt Thomas Geiser, emeritierter Professor für Arbeitsrecht an der Universität St. Gallen. «Wenn er damit aber im Prinzip die Leute auffordert, gegen die Aufgabe der Polizei, gegen die Polizisten oder gegen seine Arbeitgeberin direkt zu handeln, dann verletzt er damit die Treuepflicht gegenüber seiner Arbeitgeberin und muss mit Konsequenzen rechnen.»
Wann besteht eine Verletzung der Treuepflicht? Wenn Polizisten die Glaubhaftigkeit der staatlichen Massnahmen untergraben, für welche sie teilweise sogar verantwortlich sind, werde es für die Polizei sehr viel schwieriger, die Massnahmen durchzusetzen, sagt Felix Uhlmann, Professor für Staatsrecht an der Universität Zürich. «Da haben wir dann tatsächlich einen Konflikt und allenfalls auch eine Verletzung der Treue- oder Loyalitätspflicht gegenüber dem Gemeindewesen.»
Was sagt das Bundesamt für Polizei (Fedpol) betreffend Ideologien der einzelnen Polizisten und Polizistinnen? «In einer Demokratie und einem Rechtsstaat hat die Polizei Ideologie-neutral zu sein. Dies gilt für jede einzelne Polizistin und jeden einzelnen Polizisten», so das Fedpol.
Im Video heisst es unter anderem: «Was in den letzten eineinhalb Jahren passiert ist, ist aus meiner Sicht in vielen Bereichen rechtsstaatlich zumindest fragwürdig und auf jeden Fall unverhältnismässig.» Sind solche Aussagen von Polizisten aus staatsrechtlicher Sicht heikel? Strafrechtsprofessor Felix Uhlmann bestätigt das. «Es ist heikel, weil Polizistinnen und Polizisten in einem besonderen Verhältnis zum Staat angestellt sind.» Sie hätten eine Treuepflicht, eine Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber. «Das führt natürlich nicht dazu, dass sie keine Äusserungen mehr machen dürfen», stellt Uhlmann klar. «Aber wenn die Äusserungen die Glaubwürdigkeit der polizeilichen Massnahmen infrage stellen, gibt es ein Problem.»
Mit welchen Konsequenzen müssen Polizistinnen und Polizisten bei Missachtung der Regeln rechnen? Die Konsequenzen könnten unterschiedlich ausfallen, erklärt Thomas Geiser, emeritierter Professor für Arbeitsrecht. Polizisten seien öffentlich-rechtlich angestellt, die Anstellung im kantonalen Personalrecht geregelt. Weiter komme es darauf an, was ein Gruppenmitglied genau mache. «Es ist ein Unterschied, ob jemand passiv dabei ist oder auch aktiv auftritt.» Das müsse man im Einzelfall anschauen. «Aber es drohen durchaus Konsequenzen – vom mündlichen Verweis über eine Gehaltskürzung bis hin zur Kündigung.»