Vergangene Woche kam es in mehreren Altersheimen in der Schweiz zu einem Coronaausbruch. In diesen Heimen sind mittlerweile Dutzende Bewohnerinnen und Bewohner sowie Angestellte positiv auf das Virus getestet worden.
Im freiburgischen Siviriez sind sieben Personen daran gestorben. Damit rücken die Altersheime wieder vermehrt in den Fokus. Markus Leser ist Mitglied der Geschäftsleitung des Branchenverbands für Heime. Er leitet dort den Fachbereich Alter und gibt Auskunft über die Massnahmen.
SRF News: Sind die Schutzkonzepte angesichts der neusten Coronaausbrüche in Altersheimen ausreichend?
Markus Leser: Wir sind der Meinung, dass die Konzepte ausreichend sind. Es gibt Schutzkonzepte auf nationaler und kantonaler Ebene und auf der Ebene der Heime selbst. Was wir jetzt in einigen Heimen erleben, ist das, wovor alle Angst haben.
Wichtig ist, dass alle diese Massnahmen interdisziplinär zwischen Personal, Ärzten, Angehörigen, Besuchern und therapeutischem Personal abgesprochen sind.
Wir müssen uns vor Augen führen, wie gefährlich dieses Virus ist und dass wir einen hundertprozentigen Schutz vielleicht nicht hinbekommen. Wir können nur alles dafür tun, dass das Virus nicht in ein Heim kommt.
Was sind die Eckpfeiler dieser Schutzkonzepte in Alters- und Pflegeheimen?
Es ist ein Bündel von Massnahmen. Ich war gestern in einem Heim als Besucher. Dort musste man sich anmelden und registrieren lassen. Wo es möglich und sinnvoll ist, besteht in diesem Heim eine Maskenpflicht. Gruppen werden getrennt. Dort war es so, dass die Bewohner des Heimes von den Tagesgästen und von den Menschen im betreuten Wohnen getrennt werden.
Es ist wichtig, dass es eine klare Teststrategie gibt. Wichtig ist weiter, dass alle diese Massnahmen interdisziplinär zwischen Personal, Ärzten, Angehörigen, Besuchern und therapeutischem Personal abgesprochen sind.
Es kann auch zu Ausfällen beim Personal kommen, weil Angestellte in Quarantäne müssen. Wie gehen die Heime mit diesem Problem um?
Das ist eine grosse Herausforderung, vor allem, wenn das Personal knapp wird. Da wird oft auf Aushilfen zurückgegriffen, oder man versucht intern Synergien zu knüpfen. Da braucht es eine gewisse Kreativität.
Die strengen Massnahmen mit Besuchsverboten in den Alters- und Pflegeheimen während des Lockdowns wurden stark kritisiert. Nun stellt sich wieder die Frage, ob die Menschen in Heimen genügend geschützt sind. Wie kann man mit diesem ethischen Dilemma umgehen?
Das ist eine schwierige Frage. Es geht um Schutz versus Freiheit und Selbstbestimmung. Uns muss klar sein: Hundertprozentiger Schutz und hundertprozentige Freiheit gehen nicht zusammen.
Es geht um einen ein ganzheitlichen Schutz von Körper, Seele und Geist.
Es gibt keine Standardlösung. Wir müssen uns auch vor Augen führen, dass es beim Schutz eines Menschen nicht nur um körperlichen Schutz geht. Es geht um einen ganzheitlichen Schutz von Körper, Seele und Geist. Und das macht es sehr komplex. Deshalb gibt es fast nur immer Einzellösungen. Man muss herausfinden, was für eine Person das Beste ist.
Das Coronavirus wird uns auch im Herbst und im Winter beschäftigen. Müssen uns an solche Ausbrüche in Altersheimen mit mehreren Todesfällen gewöhnen?
Das hoffe ich nicht. Ich hoffe, dass die Schutzkonzepte möglichst überall konsequent durchgesetzt werden. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass Menschen in einem Heim eine stark gefährdete und vulnerable Gruppe sind. Es sind Menschen in einem hohen Alter, meistens irgendwo zwischen 85 bis teilweise über hundert. Es ist selbstverständlich, dass wir grosses Engagement zeigen müssen.
Das Gespräch führte Raphael Günther.