Ende Oktober 2019 wurden mehrere Gesundheitseinrichtungen Opfer eines Cyber-Angriffs. Bekannt ist der Fall Wetzikon. Wie Recherchen der «Rundschau» zeigen, wurden auch das Spital Limmattal und das Zentrallabor Zürich durch den Trojaner Emotet angegriffen. Ebenfalls betroffen waren mindestens drei weitere Institutionen – darunter ein weiteres Spital und ein Altersheim.
Gefährliche Schadsoftware
Bei den betroffenen Spitälern kam es zu keiner Verschlüsselung oder zu Verlust von Patientendaten. Die Spitäler Limmattal und Wetzikon sind aber heute noch damit beschäftigt, ihre Geräte zu kontrollieren und zu säubern. Beide erklären gegenüber der «Rundschau», der Angriff habe bisher rund 300'000 Franken gekostet: Für die Abwehr und neue IT-Sicherheitsmassnahmen.
Thomas Brack, Direktor des Spital Limmattal: «Das zeigt die Dimension eines Angriffs. Das ist nicht in zwei Tagen erledigt. Wir mussten alle Geräte prüfen. Besonders aufwendig sind die Medizinal-Geräte.» Und der Direktor des Spital Wetzikon, Matthias P. Spielmann, spricht von einer neuen Bedrohung: «Die Virenstruktur geht auf Verzeichnisse und Mails. Und rekonstruiert in einer eigenen Struktur, wie wir kommunizieren.»
Der Trojaner Emotet gilt als eine der gefährlichsten Schadsoftwaren weltweit. Sie verschafft sich via E-Mail Zugang zu Unternehmen, spioniert Adressen und Passwörter aus und lädt weitere Schadprogramme nach. Das Ziel der Hacker ist, Daten verschlüsseln, um Lösegeld zu fordern.
60 kritische Schwachstellen
Wie verwundbar Schweizer Spitäler sind, zeigt auch eine Analyse der in Cyber-Abwehr spezialisierten Firma Dreamlab. Analysiert wurde die externe Angriffsfläche der 281 Spitäler der Schweiz. Dreamlab fand hunderte offene Zugänge und Schwachstellen. Das Fazit der Analyse: Etliche Spitäler seien ungenügend geschützt, etwa aufgrund alter Betriebssysteme oder Firewalls.
Insgesamt hat Dreamlab 60 kritische Schwachstellen gefunden. Marc K. Peter, Dozent für Digitalisierung an der FHNW und Mitglied der Dreamlab-Geschäftsleitung gegenüber der «Rundschau»: «Das sind Einfallsmöglichkeiten, um etwa Benutzernamen und Passwörter zu stehlen. Einzelne Spitäler könnte man sogar zum Erliegen bringen, sprich die Server-Infrastruktur lahmlegen.» Peter: «Das darf in dieser Form nicht so unsicher sein, wie wir das gesehen haben».
H+, der Verband der Spitäler der Schweiz, sagt zur Analyse, Cybersecurity werde in den Spitälern heute als Unternehmensrisiko verstanden. Der Umsetzungsstandard von Massnahmen sei jedoch noch unterschiedlich. «Es gibt Spitäler, die das sehr gut machen und solche, bei denen noch Verbesserungspotenzial besteht», schreibt H+.
Spardruck als Gefahr
Beunruhigt ist ein führender Cyber-Verteidiger der Schweiz: «Man muss davon ausgehen, dass nicht alle Spitäler ihre Eigenverantwortung wahrnehmen», sagt Pascal Lamia. Er leitet MELANI, die Melde- und Analysestelle Informationssicherung des Bundes. Lamia spricht von einem Spardruck im Gesundheitswesen. Es würden Ressourcen fehlen: «Es braucht viel mehr Geld für den Schutz der Spital-Informatik.»
Seine Behörde weiss von keinen Schweizer Spitälern, die bereits von Hackern erpresst worden sind. Sie rate Erpressungsopfern, auf keinen Fall Lösegeld zu zahlen. Lamia räumt aber ein: «Für ein betroffenes Spital aber kann auch Bezahlen eine Option sein.» Auf jeden Fall aber müsse es die Polizei beiziehen.