Zu ihrer Pensionierung im März 2020 wollte T.B. nach Dubai in die Ferien fliegen. Hin- und Rückflug waren bereits gebucht. 2000 Franken lud sie für diese Reise auf ihre Prepaidkarte Travelcash von Swiss Bankers.
Dann kam Corona, T.B. stornierte den Flug und legte die ungebrauchte Travelcash-Karte in ihr Bankschliessfach bei der Berner Kantonalbank in Thun.
Karte wird verwendet, obschon sie im Banksafe liegt
Über ein halbes Jahr später merkte T.B.: Auf der Karte fehlen fast 800 Franken. In verschiedenen Ländern und Währungen wurde im E-Commerce eingekauft. «Ich kann nicht glauben, dass mir Geld gestohlen wurde, obwohl die Karte die ganze Zeit in meinem Bankschliessfach war. Am sichersten Ort, den man sich vorstellen kann.»
Trotz hochentwickelter Abwehrsysteme kann es vorkommen, dass Betrüger Verfahren nutzen, die nicht umgehend erkannt werden.
Die Betrüger hätten mittels sogenannter Brute-Force-Attacke die Zahlenkombination der Travelcash-Karte von T.B. errechnet, sagt Rolf Nägeli, Chef Prävention bei der Stadtpolizei Zürich gegenüber «Kassensturz».
Und T.B. ist kein Einzelfall. «Kassensturz» liegen vier solche Betrugsfälle mit der Travelcash-Karte vor. In einem Fall geht es um über 9000 Franken.
Schaden wird auf Kundinnen abgewälzt
Eigentlich müssten solche Cyber-Betrugsversuche von der Bank entdeckt werden, sagen mehrere Experten gegenüber «Kassensturz». «Trotz hochentwickelter Abwehrsysteme kann es vorkommen, dass Betrüger Verfahren nutzen, die nicht umgehend erkannt werden», schreibt Swiss Bankers auf Anfrage.
Doch das ist nicht alles: Nachdem die Kundinnen den Betrug gemeldet hatten, teilte ihnen Swiss Bankers mit, man könne den Schaden nicht übernehmen. Der Betrug hätte innert 30 Tagen gemeldet werden müssen. Die Kundinnen hätten die Transaktionen regelmässig überprüfen müssen.
Doch anders als bei normalen Kreditkarten erhält man bei der Travelcash-Karte keine monatlichen Abrechnungen. Die Kundinnen hätten also aktiv online oder in einer App den Kontostand überprüfen müssen. Und das, obwohl sie nie mit einer Transaktion gerechnet hatten. Die Karte von T.B. lag ja ungebraucht in einem Bankschliessfach.
«Nicht zulässig»
«Das Vorgehen von Swiss Bankers ist eine erhebliche Verlagerung von den Rechten und Pflichten und meiner Ansicht nach nicht zulässig», sagt die Rechtsprofessorin Corinne Zellweger-Gutknecht von der Universität Basel gegenüber «Kassensturz».
Die 30-Tage-Frist zum Melden eines Betrugsfalls sei zwar üblich in der Bankenwelt, doch hier sei der Fall anders gelagert. Swiss Bankers könne diese Frist nicht ohne Weiteres übernehmen.
Geschäftsbedingungen werden verschärft
Pikant: Swiss Bankers verschärfte vor kurzem die Geschäftsbedingungen. Neu sind Kundinnen schriftlich verpflichtet, den Kontostand regelmässig online zu überprüfen oder in der App nachzuschauen.
Ob das zulässig ist, sei äusserst fraglich, findet Rechtsprofessorin Zellweger-Gutknecht: «Diese Regelung ist für KonsumentInnen sehr überraschend. Damit man sich dieser Vorschrift bewusst wird, müsste mindestens prominent darauf hingewiesen werden, dass dies auch dann gilt, wenn man die Karte nicht verwendet und dass sie lediglich der Entdeckung von Betrugsfällen dient.»