«Es sind Kinder – auch wenn sie medizinisch noch nicht als solche gelten», sagt Nina Theurillat. Sie hat ihren ersten Sohn Manuel in der 29. Schwangerschaftswoche verloren. Danach erlitt sie eine Fehlgeburt in der Frühschwangerschaft. Es beschäftigt sie noch heute, dass der Fötus nicht richtig bestattet wurde, weil er dafür noch zu klein war.
Eine Fehlgeburt kann für Eltern traumatisch sein. Und wie soll die Gesellschaft damit umgehen? Denn ein Fötus vor der 22. Schwangerschaftswoche oder unter 500 Gramm gilt noch nicht als Mensch. Engels- oder Sternenkinder – wie sie auch genannt werden – können von den Eltern nicht beim Zivilstandsamt gemeldet werden. Diesen Sternenkindern werden von Gesetzes wegen keine Zivilstandsurkunden ausgestellt. Sie haben darum auch kein Anrecht auf eine Bestattung.
Ein Ort für trauernde Eltern
Trauerarbeit ist für die Betroffenen aber wichtig. Dazu gehört für viele auch eine Bestattung. Wie dabei mit Föten umgegangen wird, fällt überwiegend in die Kompetenz der Kantone.
Entsprechend haben einzelne Spitäler in den letzten Jahren ihre Praxis geändert: Wurden früher oft Föten zusammen mit anderen Operationsabfällen kremiert – ohne richtige Bestattung –, bieten Spitäler heute andere Lösungen an. So gibt es in den meisten Kantonen Gemeinschaftsgräber für Sternenkinder: Ein Ort für Eltern, an dem sie trauern können.
So hat auch das Universitätsspital Basel seit dem Sommer seine Handhabung angepasst: Ein Sternenkind kann auch vor der 12. Schwangerschaftswoche bestattet werden, wenn die Eltern dies wünschen. Viele andere Spitäler kennen die Bestattung erst nach der 12. Woche.
Der Anstoss im Unispital Basel kam vom Pflegepersonal und von den Hebammen. Jacqueline Estoppey, Pflegeverantwortliche in der Frauenklinik, hat sich dafür eingesetzt: «Es hat mich berührt, dass das Sternenkind einfach so wegkommt, ohne dass seine Würde berücksichtigt wird.»
Fotos und Erinnerungsbox für die Eltern
Das Luzerner Kantonsspital hat für das sensible Thema «ein stringentes Vorgehen für Sternenkinder» entwickelt, erklärt Markus Hodel, Chefarzt für Geburtshilfe: «Es wird ein Gespräch mit der Seelsorge angeboten. Vom Kind werden Fotos gemacht und den Eltern Kleidli oder auch eine Erinnerungsbox vom Verein ‹Stärnechind› abgegeben.»
Zugleich würden die Eltern gefragt, ob sie eine Bestattung auf dem Kinderfeld des Friedhofs Friedenthal in Luzern wünschen und ob sie an der monatlich stattfindenden Abschiedsfeier teilnehmen möchten.
Die Leiterin der Fachstelle Kindsverlust, Anna Margareta Neff, kennt das Problem mit Fotos der Kinder: «Wenn die Eltern die Fotos nicht mit nach Hause nehmen möchten, werden diese archiviert. Es gibt immer wieder Eltern, die nach Jahren den Wunsch haben, ihr Kind anzusehen.»
So würden auch im Zuger Kantonsspital Fotos und Fussabdrücke von Sternenkindern ab der 12. Schwangerschaftswoche gemacht. Ein Fötus, der nicht länger als zwölf Wochen gelebt habe, sei noch zu klein und schwer erkennbar. Deshalb böten viele Spitäler erst ab der 12. Woche eine Bestattung an, erklärt das Zuger Kantonsspital.
Die freiberufliche Hebamme beobachtet aber auch Informationslücken: «Wenn das Kind vor der 12. Schwangerschaftswoche stirbt, erhalten die Frauen in den meisten Spitälern der Schweiz keine Informationen, was mit ihrem Kind passiert. Sie werden nicht über Bestattungsmöglichkeiten und weitere Betreuungsangebote für Eltern informiert.»
Pionierarbeit in der Stadt Zürich
Das Kantonsspital St. Gallen nennt als Grund für das fehlende Angebot, dass schwangere Frauen erst ab der 12. Woche in die Frauenklinik eingewiesen würden. Davor seien sie noch beim Gynäkologen. Zudem erfolgten diese frühen Fehlgeburten meistens zu Hause.
Was die Bestattung von Sternenkindern vor der 12. Woche betrifft, hat die Stadt Zürich Pionierarbeit geleistet: Hier ist seit langem eine Bestattung – unabhängig vom Entwicklungsstadium des Fehlgeborenen – auf Wunsch der Eltern möglich.
Auch der Friedhof Köniz bei Bern hat seit 2011 eine Ruhestätte für alle Sternenkinder, ungeachtet dessen, in welcher Schwangerschaftswoche sie gestorben sind. Das Gemeinschaftsgrab war zuvor nur für Totgeburten vorgesehen. Fehlgeburten dagegen konnten damals nicht offiziell bestattet werden, weil ein rechtlicher Anspruch fehlte.
Heute sagt Nina Theurillat, sie habe drei Kinder auf der Welt und zwei im Himmel. Nach dem Verlust zwei ihrer Kinder habe sie sich allein gelassen gefühlt. Seither setzt sie sich für betroffene Eltern ein, damit diese sich nicht so allein fühlen wie sie damals. «Ich finde es schön, dass Sternenkinder jetzt auch ihren Platz auf dem Friedhof haben.»