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Das Rütli in Frauenhand Frauenrechtlerin: «Das wird eine etwas andere 1. August-Feier»

Das Rütli, die Wiege der Eidgenossenschaft: Jedes Jahr am 1. August findet auf der symbolbeladenen Wiese am Urnersee eine Bundesfeier statt, mit wichtigen politischen Gästen, Blasmusik und Fahnenschwingern.

Doch dieses Jahr sieht die Bundesfeier anders aus: Das Rütli wird zum «Frauenrütli». 600 Frauen sind eingeladen zur Feier, die ganz im Zeichen des 50-Jahre-Jubiläums der Einführung des Frauenstimmrechts 1971 steht. Gestaltet wird sie von verschiedenen Frauenorganisationen. Karin Ottiger gehört zu den Organisatorinnen und erklärt die Idee des «Frauenrütli».

Karin Ottiger

Co-Geschäftsleiterin Schweizerischer Katholischer Frauenbund

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Karin Ottiger stammt aus Luzern und ist seit rund 13 Jahren Geschäftsleiterin des Katholischen Frauenbunds, eines Frauen-Netzwerks mit gut 120'000 Mitgliedern in 18 Kantonalverbänden, das sich für die Rechte von Frauen engagiert. Davor war die ausgebildete Sozialarbeiterin während 15 Jahren für die Caritas Luzern tätig, wo sie zuletzt die Beratungsstelle für Asylsuchende leitete.

SRF News: Eine Bundesfeier auf dem Rütli, ausschliesslich für Frauen: Braucht es das im Jahr 2021 noch?

Karin Ottiger: Es werden nicht nur Frauen auf dem Rütli sein – zur Bundesfeier sind immer auch diplomatische Vertreter aus dem Ausland eingeladen, und da sind ja auch Männer darunter. Aber ja, ich glaube, es braucht diesen Anlass, der ganz auf Frauen ausgerichtet ist. Auch, um auf dem Rütli für Frauen aus dem ganzen Land einen Ort der Solidarität und Nähe zu schaffen, wo ein Gefühl entsteht von: Wir sind alle hier, und zusammen kämpfen wir für unsere Anliegen.

Ja, ich glaube, es braucht diesen Anlass, der ganz auf Frauen ausgerichtet ist.
Autor:

Fehlt diese Solidarität unter den Frauen denn im Moment?

Im Moment erstarkt sie gerade wieder. Es entsteht eine neue Frauenbewegung, in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten und in allen Landesteilen. Am 1. August wollen wir auf dem Rütli auch diese Aufbruchstimmung feiern.

Die biografischen Hintergründe der Frauen auf dem Rütli sind ganz unterschiedlich. Was haben denn eine Juso-Politikerin und eine Landfrau gemeinsam?

Es war explizit das Ziel, dass es vielfältig und farbig wird auf dem Rütli. Und auch wenn die Frauen unterschiedliche Weltanschauungen haben, so wollen sie doch alle mitreden können in politischen Belangen. Und darum geht es uns am 1. August: Um eine Würdigung der Kämpferinnen für das Stimmrecht, das die Schweizer Frauen vor 50 Jahren erhalten haben. Das ist das Verbindende.

Historische Aufnahme von der Frauenrechts-Demonstration von Bern 1969.
Legende: Kämpferinnen für das Frauenstimmrecht: Während Jahrzehnten gingen Frauen immer wieder auf die Strasse, um politische Mitsprache einzufordern – etwa beim «Marsch auf Bern» von 1969. Keystone

Die Schweizer Frauen haben das Stimm- und Wahlrecht erst 1971 erhalten, sehr viel später als in anderen Demokratien. Ist das tatsächlich ein Grund zum Feiern?

In erster Linie geht es darum, die Vorkämpferinnen für die Frauenrechte zu würdigen. Aber das Motto des Anlasses heisst «Anerkennung, Würdigung, Aufbruch».

In erster Linie geht es darum, die Vorkämpferinnen für die Frauenrechte zu würdigen.
Autor:

Und der Aufbruch ist uns genauso wichtig wie das Feiern der 50 Jahre Frauenstimmrecht. Wir werden auch in die Zukunft blicken und aufzeigen, wo es bei der Gleichstellungsfrage noch Luft nach oben gibt – genau wie Ende Oktober dann in der Frauensession im Bundeshaus.

Was soll am 1. August denn entstehen auf dem Rütli – und was soll davon bleiben?

Das wird eine etwas andere 1. August-Feier als gewohnt. Es wird zwar Alphornklänge und Blasmusik geben, und es werden auch Bundesrätinnen anwesend sein. Aber klassische Ansprachen gibt es keine. Wir werden versuchen, eine interaktive, lebendige Feier zu gestalten. Und wir wollen sichtbar machen, wie unterschiedlichste Frauen aus der Schweiz zusammenkommen. Und wie sie auf dem Rütli eine Art Marchstein setzen für die Frauenbewegung und für unser Demokratieverständnis, dessen Grundlage die Gleichberechtigung ist.

Das Gespräch führte Tuuli Stalder.

Keine Hymne fürs «Frauenrütli» – aber eine Ballade

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Sängerin Martina Linn vor dem Radiomikrofon.
Legende: «Notre histoire, notre chemin»: Singer-Songwriterin Martina Linn singt das Lied zum «Frauenrütli» im SRF-Studio Luzern. Mirjam Breu/SRF

50 Jahre Frauenstimmrecht feiern und die die Frauen würdigen, die während Jahrzehnten dafür gekämpft haben – das soll am 1. August auf dem «Frauenrütli» auch mit einem Lied geschehen. «Notre histoire, notre chemin» heisst das Stück, getextet von Liliana Heimberg und komponiert von Singer-Songwriterin Martina Linn. Es ist eine aufmüpfig-kämpferische Ballade geworden, keine Hymne, wie sie an Nationalfeiertagen üblich sind.

«Hymne hätte nicht gepasst»

Auch wenn die Kämpferinnen für die Frauenrechte eine Hymne verdient hätten, sagt Liliana Heimberg. Aber: «Hymnen beziehen sich meistens auf Gott, auf das Volk oder die Natur», sagt Liliana Heimberg. «Das passte nicht. Ich fand, wir müssten einfach die Geschichte der Frauen in diesem Land erzählen.»

Auch musikalisch wäre das Pathos, der Hymnen eigen ist, unpassend gewesen, sagt Sängerin Martina Linn: «Ich habe bei der Suche nach den richtigen Tönen nicht gross in der Vergangenheit oder bei der Volksmusik gegraben, sondern mich an einfache Dinge aus meinem Alltag gehalten.»

600 Frauen sollen Lied gemeinsam singen

«Notre histoire, notre chemin» wird am «Frauenrütli» von Martina Linn zusammen mit zehn Bläserinnen, einer Perkussionistin und Alphornsolistin Lisa Stoll vorgetragen. Es soll von allen 600 Frauen gemeinsam gesungen werden – und vielleicht wird aus der Ballade schliesslich doch noch eine Hymne.

Regionaljournal Zentralschweiz, 29.07.2021, 17:30 ; 

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