Keine langen Messer, dafür vorweihnachtliche Feststimmung: Die Ersatzwahlen für den Bundesrat waren Politroutine im besten Sinn. Die Favoritinnen setzten sich komfortabel im ersten Wahlgang durch. Die Unterlegenen trugen die Niederlage mit Fassung. Und die abtretenden Bundesräte gingen gelöst in den politischen Ruhestand.
Nichtsdestotrotz: Unter der Bundeshauskuppel geschah heute Historisches. Denn erstmals wurden zwei Frauen gleichzeitig in die Landesregierung gewählt. Und das in rekordverdächtigem Tempo.
Keine Überraschungen
Um 9:21 Uhr wurde CVP-Frau Viola Amherd mit 148 Stimmen in den Bundesrat gewählt. Die bundesberner Polit-Insiderin distanzierte ihre Konkurrentin Heidi Z'graggen klar. Die Aussenseiterin blieb chancenlos. Der Kanton Uri muss weiter auf einen Bundesratssitz warten.
Amherd bedankte sich in unverkennbarem Walliserhochdeutsch für das Vertrauen des Parlaments, während der Fendant in der Heimat in Strömen floss. Wichtig sei für sie ein respektvoller Umgang und Verlässlichkeit, sagte Amherd, die in Bern als stille Schafferin geschätzt wird. «Ich bi gottefroh», freute sich ein angereister Oberwalliser.
Um 9:56 Uhr brandete in einer anderen Randregion Jubel auf. Die St. Gallerin Karin Keller-Sutter krönte ihre eindrückliche politische Karriere: Mit einem Glanzresultat von 154 Stimmen wurde auch sie im ersten Wahlgang gewählt. Herausforderer Hans Wicki unterlag klar. 32 Jahre nach Kurt Furglers Rücktritt hat St. Gallen wieder einen Bundesrat.
In geschmeidigem Französisch rief Keller-Sutter Parlament und Bundesrat zum konstruktiv-kritischen Dialog auf. Es gelte die Institutionen zu schützen und im Interesse der Menschen zu handeln.
Sie erinnerte daran, dass seit bald dreissig Jahren keine FDP-Frau mehr im Bundesrat sass. Ein politischer Skandal beendete 1989 die Amtszeit von Elisabeth Kopp, der ersten Frau überhaupt in der Landesregierung. Nun würde ein «dornenvolles Kapitel der freisinnigen Frauen» enden, sagte Keller-Sutter.
Tragen Sie der Schweiz Sorge, wir haben nur eine.
Am Anfang des kurzen Wahlmorgens verabschiedete Nationalratspräsidentin Marina Carobbio die abtretenden Bundesräte. Zunächst Doris Leuthard, die nach zwölf Jahren aus der Regierung ausscheidet: «Nie wurde sie emotional, sondern argumentierte stets fundiert und präzise.» Leuthards Tränen bei der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels oder bei ihrer Rücktrittsankündigung belegen, dass die Worte nicht ganz ernst gemeint waren.
Die «Frau des Herzens» bedankte sich für das Privileg, der Schweiz dienen zu können. In einer ernsten Note warnte Leuthard vor dem «Recht des Stärkeren» auf der internationalen Bühne. Die Umweltministerin trat mit einem Appell ab: «Tragen Sie der Schweiz Sorge, wir haben nur eine!»
Wenn Sie mich fragen, was mein Lieblingsmöbel ist, käme mir bestimmt kein Rednerpult in den Sinn.
Johann Schneider-Ammann, der nach gut acht Jahren abtritt, würdigte Carobbio als Patron alter Schule. Der Unternehmer sei seiner angestammten Rolle auch im Bundesrat treu geblieben. Schneider-Ammann bewies in seiner Abschiedsrede erneut Selbstironie: «Wenn Sie mich fragen, was mein Lieblingsmöbel ist, käme mir bestimmt kein Rednerpult in den Sinn.»
Er sei ein Mann des Konkreten gewesen, der sich für Resultate und nicht für Schlagzeilen interessiert habe. Er schloss: «Nur wer handelt, kommt nicht zu spät ans Ziel. Über seinen Schatten zu springen ist kein Gesichtsverlust. Es kann sogar Grösse sein.»
Sendebezug: Laufende Berichterstattung zur Bundesratswahl