Ist es Unbeholfenheit? Oder einfach weltferne Gemächlichkeit? Ernüchternd ist es so oder so, was das Bundesamt für Gesundheit BAG in der Pandemie – gemäss Bundesrat der grössten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg – bezüglich Impfpass nicht auf die Reihe kriegt.
Die einzige Schweizer Datenbank, auf welcher sich Covid-Geimpfte freiwillig registrieren konnten und welche die Daten für einen künftigen Impfpass hätte liefern können, diese Datenbank mussten die Betreiber über Nacht abschalten. Die Seite heisst meineimpfungen.ch, wird von einer Stiftung betrieben und vom BAG mit jährlich 250'000 Franken alimentiert. Sie entspricht aber mutmasslich nicht den Anforderungen des Schweizer Datenschutzes. Der eidgenössische Datenschutzbeauftragte hat heute ein Verfahren eröffnet.
Die Grundlage für Schweizer Impfpass ist weg
Damit ist eine Grundlage für den Schweizer Impfpass über Nacht weggebrochen. O-Ton eines Ständerates: eine riesige Sauerei. O-Ton eines Parteipräsidenten: abschalten und vergessen. Und das mitten in der Krise, rund einen Monat bevor täglich Zehntausende geimpft werden (wenn es denn klappt) und sich entsprechend für den Impfpass registrieren sollten.
Die Seite meineimpfungen.ch ist nicht ein lustiger Ort im Internet für besonders Impffreudige, sondern Teil der Schweizer Impfstrategie. Diese verantwortet das Bundesamt für Gesundheit. Auf meineimpfungen.ch konnten die Covid-Geimpften persönliche Daten für den Covid-Impfpass hinterlegen. Das sagte die BAG-Direktorin Anne Lévy gegenüber 10vor10 im Dezember.
Lévy sagte auf Nachfrage auch, für einen späteren Impfausweis brauche es keine gesetzliche Grundlage. Dennoch schlug das BAG vor zwei Wochen – ein Jahr nach dem ersten Shutdown – in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) gesetzliche Grundlagen für einen Impfpass vor. Nicht sofort, sondern auf August oder September. Die WAK schritt ein, mittlerweile ist das Gesetz für den Impfpass da. Nur ist jetzt die Datenbank für Registrierungswillige weg.
Debakel mit Ansage
Das ist ein Debakel mit Ansage. Ein elektronischer Impfausweis ist auf Grundlage des elektronischen Patientendossiers schon länger im Gespräch, das e-Patientendossier aber verpasste den Starttermin März 2020.
Seither ist klar, dass ein Impfpass davon abgekoppelt werden muss, denn wegen der Corona-Pandemie besteht für diesen absolute Dringlichkeit.
Was hat das BAG in den letzten zwölf Monaten unternommen für eine sichere Registrierung hinsichtlich Impfpasses? Nichts. Jedenfalls nichts, das es kommuniziert hätte. Stattdessen verwies das BAG immer wieder auf die Internetseite meineimpfungen.ch, welche jetzt offline ist und es nach Expertenmeinung noch länger bleiben wird.
BAG kann nicht im Krisenmodus denken
Während das BAG bezüglich Impfregistrierung zwölf Monate wenig in die Wege leitete, haben Forscherinnen und Forscher weltweit mehrere Impfstoffe entwickelt. Innovativ und in Windeseile. So stellen wir uns Swiss Finish vor. Aber Swiss Finish ist beim BAG anscheinend nicht high tech, sondern low performance. Das BAG kann, so scheint es, Gesundheit managen, im Krisenmodus denken aber gelingt nicht.
Bürger und Steuerzahlerinnen eines der reichsten, bestorganisierten und technisch potentesten Länder der Welt (gemeint ist die Schweiz) erwarten aber, dass der Bund Pandemie kann. Impfen erst recht. Und Impfpass sowieso. Es geht um Voraussicht, Organisation und technische Umsetzung – es geht also um Schweizer Tugenden, nicht um Voodoo. Ein Datenregister rechtzeitig aufzusetzen und zu betreiben muss für die Schweiz, Sitz einer der besten technischen Hochschulen der Welt und Home of Crypto Valley, eine machbare Aufgabe sein.
PS: Die Frage von SRF, ob meineimpfungen.ch weiterhin Basis sei für den Impfpass, konnte das BAG heute nicht unmissverständlich beantworten.