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Debatte um Sexismus Freiburger Schülerinnen wehren sich gegen sexistische Lehrkräfte

Ausgelöst hatte die Debatte eine 16-jährige Schülerin, die von ihrem Lehrer kritisiert wurde, weil sie keinen BH trug.

Eine 16-jährige Schülerin erscheint im Kollegium Gambach in Freiburg ohne BH zum Unterricht. Dafür kassiert sie von ihrem Lehrer einen Rüffel. Dieser Vorfall löste an den Freiburger Schulen eine heftige Sexismus-Debatte aus.

Marie Spang ist Sprecherin vom Freiburger Frauenstreik-Kollektiv. Laut ihr gelten an den Schulen für die beiden Geschlechter unterschiedliche Regeln: «Eine junge Frau, die ein Trägertop trägt, wird von ihrem Lehrer kritisiert. Ein junger Mann, der ein ärmelloses Leibchen trägt, hört keine Kommentare.» Man stelle fest, so Spang weiter, dass der Körper junger Frauen unnötig sexualisiert werde. Das störe sie sehr.

Bild von Marie Spang.
Legende: Marie Spang, Sprecherin Freiburger Frauenstreikkollektiv: «Der Körper junger Frauen wird unnötig sexualisiert.» SRF

François Piccand, Vorsteher Mittelschulen im Kanton Freiburg widerspricht. Schülerinnen und Schüler müssten in angemessener Kleidung zum Unterricht erscheinen. Dies gelte für beide Geschlechter gleichermassen. «Deswegen sollte es keine andere Behandlung geben zwischen Frauen und Männern», so Piccand.

Über 300 Meldungen in den sozialen Medien

Die Sexismus-Debatte in Freiburg geht aber längst weiter als der Vorfall mit dem BH. Nachdem das Freiburger Frauenstreik-Kollektiv den Vorfall öffentlich gemacht hatte, meldeten sich in den sozialen Medien innert weniger Tagen über 300 Frauen, die von sexistischem Verhalten ihrer Lehrer berichteten.

Das Problem beschränke sich nicht auf das Kollegium Gambach, sagt Marie Spang vom Freiburger Frauenstreik-Kollektiv: «Wir haben Aussagen aus praktisch allen Schulen im Kanton Freiburg.»

Bei der Erziehungsdirektion zeigt man sich überrascht über die offenbar grosse Zahl an Vorfällen. Solche Grenzüberschreitungen würden nicht geduldet, sagt François Piccand. «Wir sind bestürzt, dass so etwas passiert. Für uns ist es wichtig, dass die Schulen ein Ort sind, wo alle sich wohlfühlen.»

Ein Bild von Piccand François.
Legende: François Piccand, Vorsteher Mittelschulen Kanton Freiburg: «Wir sind bestürzt.» SRF

Laut Marie Spang laufen die Meldungen der Schülerinnen bei den Schuldirektoren oft ins Leere. «In mehreren Posts haben uns Schülerinnen gesagt, dass sie sich bei der Direktion und höheren Instanzen beschwert hätten. Es gab aber keine Antwort und auch keine Sanktionen gegen die Lehrpersonen.»

Forderung nach einer anonymen Meldestelle

François Piccand hält dagegen: «Das ist vielleicht das Gefühl der Schülerinnen, aber das kann ich Ihnen sagen: Schuldirektionen treffen Massnahmen, sie nehmen alles ernst. Das muss so sein.» Aber Piccand räumt ein, dass die Kommunikation in diesem Bereich nicht immer transparent sei. «Es gibt auch einen Schutz der Persönlichkeit von den Lehrpersonen, und deswegen kann man nicht alles kommunizieren, was passiert, und das ist vielleicht auch ein Problem.»

Das Frauenstreik-Kollektiv fordert nun eine anonyme Meldestelle, damit sich Betroffene melden können. Die Erziehungsdirektion prüft, wie die Situation potentieller Opfer konkret verbessert werden könnte.

Schweiz aktuell, 08.02.2021 ; 

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