«Die Marke Schweiz steht für Qualität», sagt Vicenzo Montinaro. Er ist seit zehn Jahren Geschäftsführer des Appenzeller Textilveredlers Cilander. Die Firma setzt auf die Swissness. Kunden würden damit Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Fleiss und Präzision in Verbindung bringen – aber auch für Vertrauen, so Monitaro. Die Swissness der Textilprodukte sei bei Kundenbesuchen und Präsentationen stets der rote Faden.
Die Herkunft Schweiz ist ein Qualitätsmerkmal, das geschätzt wird.
Mit ihrer Swissness-Strategie hätten sie vor allem auf der Arabischen Halbinsel Erfolg. «Ich will einen Cilander-Finish, der Preis ist egal», höre er von Kunden in Saudiarabien oder in Kuwait, sagt Montinaro. In diesen Ländern, aber auch in China, schaffe die Marke Schweiz Vertrauen. «Wir haben in China viele Kunden, die den Textilunternehmen vor Ort nicht trauen.»
Swissness-Bonus von bis zu 50 Prozent
Die Kunden würden sicher sein wollen, dass die Stoffe ihrer Anzüge nicht mit giftiger Chemie behandelt wurden, so Montinaro. Einem Schweizer Hersteller vertrauten sie mehr, als einem Chinesischen. Das sei unter anderem dem guten Ruf der Marke Schweiz geschuldet.
Einen bis zu 20 Prozent höheren Preis kannCilander dank des guten Rufs der Schweiz für Produkte verlangen. Bei Luxusgütern ist der Wert des Schweizerkreuzes teilweise sogar noch höher, wie Studien der ETH Zürich und der Universität St. Gallen zeigen. In der Uhrenindustrie können sich Firmen teilweise einen Swissness-Zuschlag von bis zu 50 Prozent erlauben.
Der Bund schätzte vor einigen Jahren die Auswirkungen der Marke Schweiz für die gesamte hiesige Wirtschaft. Er bezifferte den Swissness-Zuschlag bei rund sechs Milliarden Franken pro Jahr.
10 Jahre bis zur Revision
Wer auf seinen Produkten einen Bezug zur Schweiz herstellen darf, ist im Schweizer Gesetz um die Markenregister genau geregelt. Das Swissness-Gesetz soll verhindern, dass die Marke Schweiz geschwächt wird, indem sich etwa Firmen sich mit dem Label Schweiz schmücken, obwohl keine Schweiz drin ist.
Der Weg bis zur Revision des Gesetzes war lang. Er dauerte über 10 Jahre. Wie viele Prozente der Rohstoffe sollen nun aus der Schweiz kommen? Wie viele Prozente der Herstellungskosten müssen in der Schweiz anfallen? Darüber debattierte das Parlament intensiv. Das neue Gesetz sollte die Unternehmen nicht zu sehr einschränken, gleichzeitig aber die Marke Schweiz schützen.
«Das Schweizer Kreuz ist im Ausland beliebt»
Für das Gesetz eingesetzt, hatten sich unter anderem Nestlé, Migros und der Schweizer Bauernverband. Kritik äusserten Firmen aus der Industrie, aber auch aus der Lebensmittelindustrie. Das Gesetz sei nicht praxisnah und verteure die Produktion zu sehr. Ökonomen argumentierten teils, das Gesetz sei purer Protektionismus. Man müsse mit kritischen Reaktionen der Handelspartner rechnen.
Der Textilveredler Cilander produzierte schon immer mehrheitlich in der Schweiz. Für die Appenzeller Firma war das Gesetz deshalb nicht mit grossen Änderungen verbunden. Und trotzdem: Vincenzo Montinaro ärgert es, wenn Firmen sich mit einem Schweizerkreuz schmücken, obwohl sie mit der Schweiz nichts oder kaum etwas zu tun haben.
«Wir haben Konkurrenten in Österreich, in Osteuropa und im Fernen Osten, die angeben, einen Bezug zur Schweiz zu haben», sagt Geschäftsführer Montinaro. Diese Firmen hätten mit der Schweiz aber nichts am Hut. Dass es noch immer relativ viele Trittbrettfahrer im Ausland gibt, bestätigt auch David Stärkle vom Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum.
Baldige Kehrtwende?
«In Indien haben momentan besonders viele Firmen Freude am Schweizerkreuz», sagt David Stärkle. Der Jurist ist beim Institut für Geistiges Eigentum verantwortlich für die Rechtsdurchsetzung der Swissness im In- und Ausland. Staerkle beobachtet, dass aktuell in Indien besonders viele neue Marken eingetragen werden wollen, die einen Schweiz-Bezug haben.
Entdeckt David Stärkle oder einer seiner Anwälte in Indien eine solche Marke beim Durchforsten des indischen Markenregister, macht er eine Einsprache. So will er die widerrechtliche Verwendung eines Schweiz-Bezugs im Keim ersticken. Denn meistens lassen Personen oder Firmen Marken eintragen, bevor sie ein Produkt auf den Markt bringen.
Zu Beginn hatte er kaum Erfolg. Die Behörden vor Ort seien nicht sehr kooperativ gewesen, sagt Stärkle. «Die Kehrtwende könnte allerdings vor der Türe stehen.». Die indischen Behörden hätten ihn jüngst aufgefordert, die Markeneintragung einer Schweizer Firma zu autorisieren – also von Schweizer Seite zu bestätigen, dass die Firma die Swissness-Regeln einhält.
«Wenn sie in Zukunft auch bei indischen Firmen so streng sind, dann könnten wir das Problem in den Griff kriegen», so David Stärkle. In China hat sich die Hartnäckigkeit der Schweiz ausbezahlt. Allein 2016 machte der Bund in China über 100 Einsprachen. Man hätte jedes Mal betont, dass es nicht möglich sei, eine Marke mit einem Schweizerkreuz oder mit «made in Switzerland» eintragen zu lassen ohne sich an das Swissness-Gesetz zu halten.
2019 habe er bisher nur eine Einsprache im Ausland machen müssen, sagt Stärkle. «Ich denke, es wurde Ihnen zu bunt mit uns, zu mühsam». Das habe sogar dazu geführt, dass das chinesische Markenregisteramt nun selbst Ausschau halte nach Trittbrettfahrern und um eine Authorisierung frage, wenn in China eine Marke mit einem Schweiz-Bezug eingetragen werden will.
Im Kampf gegen ausländische Trittbrettfahrer gibt es kein Pauschalrezept. In jedem Land sind die Voraussetzungen für die Bekämpfung anders. Die Schweiz ist auch nicht in jedem Land gleich aktiv. Das ist abhängig vom Interesse der Schweizer Wirtschaft am jeweiligen Markt. Was laut Stärkle hilft, ist, dass die Schweiz nun ein eigenes Gesetz hat. Damit habe man im Ausland ein starkes Argument.
Kein gerichtliches Vorgehen für Cilander
Nebst dem Durchforsten von ausländischen Markenregistern arbeitet er eng mit Botschaften und Verbänden zusammen. Denn es sind vor allem die Branchenverbände, die gegen Trittbrettfahrer vor Gericht ziehen. Für Vincenzo Montinaro von Cilander ist ein gerichtliches Vorgehen bis jetzt kein Thema.
In seinem Verband werde das diskutiert, bisher habe man aber noch nicht beschlossen, aktiv gegen die Trittbrettfahrer vorzugehen, so Montinaro. Und als Vertreter eines KMUs könne und wolle er sich es nicht leisten, einen langjährigen und teuren Prozess in einem fremden Land zu riskieren.
David Stärkle versucht deshalb Verbände zu motivieren, sich für ihre Firmen einzusetzen, vor allem in den Branchen, in denen die Marke Schweiz einen grossen Mehrwert hat. «Die Verbände erkennen langsam, dass es wichtig ist, die Trittbrettfahrer zu bekämpfen.» Auch deshalb will er nun eine Vereinigung gründen, die Branchenverbände an einen Tisch bringen soll, damit Erfahrungen ausgetauscht werden können. Und damit auch im Ausland Schweiz drin ist, wenn Schweiz drauf steht.