SRF News: Welches ist Ihr wichtigster Kritikpunkt am Aktionsplan des Bundesrates zur Verminderung der Pestizide in der Landwirtschaft?
Andreas Bosshard: Wir vom Verein Vision Landwirtschaft Schweiz sind überzeugt, dass der Einsatz von Pestiziden auf das nötige Minimum beschränkt werden sollte. Die Schweizer Landwirtschaft soll sich dadurch von jener im Ausland als besonders umweltfreundlich abheben können. Mit diesem Ziel vor Augen könnte mehr getan werden, als der Bundesrat in seinem Pestizid-Plan aufgezeigt hat.
Der Bund spricht davon, die Risiken durch die Pestizide halbieren zu wollen. Tönt das nicht ambitioniert?
Wir sind tatsächlich froh, dass in diesem Plan viele Vorschläge aufgelistet sind. Wenn man aber genauer schaut, was hinter der Verminderung der Risiken um 50 Prozent steht, stellen sich einige Fragen. So geht es laut Bundesrat etwa darum, die giftigen Stoffe um 30 Prozent, den Einsatz von Pestiziden im Durchschnitt aber bloss um 12 Prozent zu reduzieren. Das ist doch ziemlich bescheiden. Wir sind überzeugt, da könnte man einiges mehr machen.
Wie sollte man vorgehen, um eine stärkere Verringerung des Pestizid-Einsatzes zu erreichen?
Schon heute sind die Subventionen an die Bauern teilweise mit dem Einsatz von Pestiziden verknüpft. Auch ist laut Bundesrat angedacht, dass zusätzliche Programme entwickelt werden, im Rahmen derer Landwirte Direktzahlungen erhalten, wenn sie weniger Pestizide einsetzen. Das ist sicher eine gute Stossrichtung. Der Einsatz von Pestiziden hängt allerdings auch von vielen anderen Faktoren ab, so etwa am Vollzug des ökologischen Leistungsausweises. Dieses System funktioniert nur sehr schlecht – oder überhaupt nicht. Es wird zu wenig kontrolliert, der Pestizid-Einsatz ist in der Schweiz zu einem grossen Teil eine Blackbox. Hier sollte man ansetzen.
Am 24. September stimmen wir über die Ernährungssicherheit ab. Wie verträgt sich eine ressourcenoptimierte Landwirtschaft mit einer radikalen Pestizidreduktion?
Je weniger Ressourcen wir aus dem Ausland einführen müssen, um zu produzieren, desto selbständiger können wir uns versorgen. Gerade Pestizide werden zu einem grossen Teil aus dem Ausland importiert, wenn sie nicht mehr eingeführt werden könnten, würde die landwirtschaftliche Produktion, wie sie heute funktioniert, mehrheitlich zusammenbrechen. Wir möchten uns deshalb möglichst von solchen Auslandsabhängigkeiten lösen. Dazu gehören auch die Pestizide.
Gerade Getreide ist allerdings zu einem grossen Teil vom Einsatz von Pflanzenschutzmitteln abhängig...
In der Tat gibt es Getreidekulturen, bei denen ohne Pestizide die Erträge zusammenbrechen, andere Kulturen sind weniger von Pflanzenschutzmitteln abhängig. So wird schon heute ein Teil des Getreides pestizidfrei angebaut. Hier wäre ein Ausbau möglich. Hinzu kommt, dass bisher sehr wenig in die Forschung investiert worden ist, um pestizidfreie Produktionssysteme zu entwickeln. Wenn in diesem Bereich mehr gemacht würde – was vom Bundesrat angedacht ist – hätten wir innert weniger Jahre Lösungen für Probleme, mit denen wir heute noch kämpfen. Sicher wird das anspruchsvoll und kein Spaziergang, aber es gibt hier sehr viel Luft nach oben.
Die Konsumenten müssen wissen, dass ein pestizidfrei produzierter Apfel nicht so makellos aussieht wie einer, der 20 oder 30 Chemieduschen hinter sich hat.
Ist die Gentechnik eine Möglichkeit, die Entwicklung in diesem Bereich voranzubringen?
Wir sind nicht kategorisch gegen Gentechnik – wenn sie gute Lösungen bereitstellen kann. Das war bisher allerdings nicht der Fall. Bislang wurden praktisch nur herbizidresistente Pflanzen auf den Markt gebracht, die man gegen die Pflanzenschutzmittel-Duschen widerstandsfähig gemacht hat. Doch das ist nicht der Weg, den wir uns vorstellen. Zu diskutieren wäre dabei allerdings, ob die Konsumenten solche Lebensmittel überhaupt wollen.
Wie verträgt sich eine pestizidfreie Produktion mit der sehr hohen Anspruchshaltung der Konsumenten in der Schweiz, was die Qualität der landwirtschaftlichen Produkte angeht?
Die Qualität der pestizidfrei produzierten Nahrungsmittel ist besonders hoch, weil sie keine Chemie-Rückstände enthalten. Das Problem ist vor allem ästhetischer Natur. Vielleicht müsste man deshalb die Konsumenten darüber informieren, dass ein pestizidfrei produzierter Apfel nicht immer so makellos aussieht wie einer, der 20 oder 30 Chemieduschen hinter sich hat. Der Konsument ist in seiner Auswahl natürlich aber frei und am Ende wird der Markt entscheiden, wohin die Entwicklung geht.
Kann der Aktionsplan des Bundes zur Verringerung der Pflanzenschutzmittel überhaupt etwas bewirken?
Wir hoffen darauf. Er enthält zwar einige gute Massnahmen, gerne hätten wir jedoch noch einige mehr – vor allem wirksame – drin gehabt, wie wir sie vorgeschlagen hatten. Störend ist vor allem, dass der Plan nicht aufzeigt, wie die aufgelisteten Massnahmen finanziert werden sollen. Denn wenn das Geld fehlt, wird auch nichts umgesetzt. Aus dem bundesrätlichen Plan könnte deshalb ein dicker Papiertiger werden. In diesem Bereich herrscht in nächster Zeit noch einiger Diskussionsbedarf.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.