Wenn heute in vielen Kantonen wieder das Schuljahr beginnt, treten auch Kinder in den Kindergarten ein, die kaum Deutsch sprechen. Ein Grund dafür: Sie stammen zum Beispiel aus fremdsprachigen Familien und sind bisher nicht in Kontakt mit deutschsprachigen Kindern oder Bezugspersonen gekommen. Sprachliche Frühförderung schon vor dem Kindergarten wird so immer mehr zum Thema.
«Unglaublich grosse Auffassungsgabe»
«Man weiss aus der Forschung, je früher ein Kind sprachlich gefördert wird, desto besser ist die Sprachkompetenz», sagt Dieter Isler von der Pädagogischen Hochschule Thurgau. «Diese frühe Förderung funktioniert nicht über den sogenannten Sprachunterricht. Sondern sehr spielerisch.»
Kinder können, so Isler, je jünger sie seien, umso mehr aufnehmen – vor allem im Spiel mit anderen Kindern. «So lernen sie eine Sprache ganz natürlich. Deshalb ist es wichtig, dass fremdsprachige Kinder, die zu Hause nicht in Kontakt mit der deutschen Sprache kommen, noch vor dem Kindergarten in Spielgruppen oder ähnlichen Settings die Sprache lernen.»
Rückstände schwierig aufzuholen
Im Kindergarten kommen Kinder zum ersten Mal mit dem Schweizer Schulsystem in Kontakt. Hier lernen sie auch Deutsch – durch den Kontakt mit anderen Kindern oder spezielle Deutschkurse. Das sprachliche Niveau mit dem sie später in die Primarschule kommen, ist aber je nach Kind unterschiedlich.
Für Christian Hugi, den Präsidenten der Zürcher Lehrerinnen und Lehrer, ist ein obligatorisches Programm vor dem Kindergarten daher wünschenswert. Inwiefern würde ein obligatorisches Förderprogramm vor dem Kindergarten Sinn ergeben? «Immer mehr Kinder starten mit schlechten Deutschkenntnissen die Primarschule. Und das ist in einer Schullaufbahn dann wahnsinnig schwierig aufzuholen.»
Ein schlechter Start habe meist Auswirkungen auf eine gesamte Schulkarriere, so Hugi weiter. Es brauche also Lösungen, wie obligatorische Kurse, um die Chancengleichheit der Schüler zu wahren. «Es ist auch günstiger, früh zu investieren, als später mit immer noch mehr Sonderprogrammen zu versuchen, aufzuholen», so Hugi.
Es ist günstiger, früh zu investieren, als später mit immer noch mehr Sonderprogrammen zu versuchen, aufzuholen.
Die Kantone reagieren
In vielen Kantonen reagiert man bereits auf diese Situation. In Basel-Stadt macht man seit 2013 mit obligatorischen Spielgruppen für sprachlich weniger weite Kinder gute Erfahrungen. Und auch im Kanton Zürich soll jetzt früher angesetzt werden.
«Wichtig ist, dass man es einerseits spielerisch macht und vor allem, dass man nicht nur mit speziellen Deutschkursen die fremdsprachigen Kinder schon wieder absondert», rät Isler. «Es braucht vor dem Kindergarten Spielgruppen mit deutschsprachigen Kindern und später dann auch integrative Massnahmen in den Kindergarten- und Schulklassen.» Spezial-Förderunterricht ist gemäss Isler gut und recht, aber wenn die Kinder so abgeschottet würden, bringe es auch nichts.
Spielend eine Sprache lernen: Das ist in jungen Jahren gut möglich. Man muss aber mit Muttersprachlern in Kontakt kommen. Solange das freiwillig ist, fallen immer einige durch dieses Netz.