Es sei 5 vor 12, hatte gestern die Bundespräsidentin gesagt, und damit gemeint: Jetzt muss sich jede und jeder Einzelne dringend an die bekannten Massnahmen der Corona-Hygiene halten, sonst eskaliert die epidemiologische Situation vollends.
Es ist sicher nicht falsch, wenn der Bundesrat an die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger appelliert. Und Simonetta Sommaruga hat auch recht, wenn sie betont, dass wir eigentlich alle wüssten, was zu tun und was zu lassen sei.
Man weiss aber auch, dass mit den Appellen an die Eigenverantwortung immer nur ein Teil der Bevölkerung erreicht wird. Es gibt immer welche, die sich um Empfehlungen foutieren und Solidarität als etwas ansehen, das primär für die anderen gelten soll. Und es gibt Menschen, die schlicht verwirrt und verunsichert sind über all die verschiedenen Vorschriften und Empfehlungen in den Kantonen.
Die Krise ist wieder da
Deshalb braucht es im Krisenfall strikte, für alle geltende Regeln und Vorschriften, es braucht eine klare Führungsverantwortung und es braucht eine kristallklare Kommunikation. Das alles muss schnell geschehen, denn wir befinden uns nach ein paar Monaten entspannterer Lage wieder in einer Krise.
Die Schweiz hat in Sachen Neuinfektionen pro Bevölkerung die USA überholt und verzeichnet deutlich höhere Zahlen als die meisten europäischen Länder. Und die Pandemie hat gerade im März gezeigt, dass schnelles Handeln in einer sich exponentiell verschärfenden Krise entscheidend ist und Menschenleben retten kann.
Einige Kantone pochen immer noch auf die unterschiedlichen epidemiologischen Ausprägungen der Krise in den Kantonen. Diese Argumentation greift nicht mehr. Das hat man gerade in den letzten Tagen gesehen. Die Kantone, die noch vor kurzer Zeit mit den tiefsten Zahlen glänzen konnten, sind heute diejenigen mit den höchsten Ansteckungszahlen, zum Beispiel der Kanton Schwyz. Zudem haben mittlerweile alle Kantone den schweizerischen Grenzwert für ein Risikogebiet überschritten.
Die Landesregierung ist am Zug
Auch der Bundesrat zögert noch, die Verantwortung zu übernehmen und verweist auf die «besondere Lage», bei der die Kantone im Lead seien. Dabei weiss der Bundesrat genau, dass er auch in der besonderen Lage jederzeit Massnahmen ergreifen kann; lediglich eine «Konsultation» der Kantone ist vorgeschrieben.
Die Konferenz der Gesundheitsdirektoren hat ihm heute den roten Teppich ausgelegt mit der Forderung nach einheitlichen Vorschriften beim Maskentragen, Homeoffice und bei privaten Veranstaltungen. Für die notwendige Konsultation müsste im Notfall ein Wochenende reichen.
Bundespräsidentin Sommaruga hat recht, wenn sie sagt, es sei 5 vor 12. Das sollte aber nicht nur für die Bevölkerung, sondern jetzt vor allem auch für den Bundesrat und die Kantone gelten.