Der Impfplan ist auf Kurs: Mit dieser Botschaft ist der Bundesrat am Nachmittag vor die Medien getreten. Wer will, soll bis Ende Juni eine erste Dosis erhalten. Nach der Kritik am schleppenden Impfstart soll es nun also rascher vorangehen. SRF-Wissenschaftsredaktor Christian von Burg erklärt, welchen Einfluss das auf die Bekämpfung der Pandemie hätte.
SRF News: Wie wichtig ist die Impfgeschwindigkeit?
Christian von Burg: Sie ist absolut zentral. Man muss nur nach Israel, England oder in die USA schauen, um zu sehen, wie dort dank der schnellen und breit angelegten Impfungen die Infektionszahlen sinken. Für die Schweiz gibt es dazu eine interessante Modellierung der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes. Sie zeigt: Wenn wir ab Ende April nur 50'000 Menschen pro Tag impfen können, dann wird die dritte Welle, die jetzt anrollt, wohl so hoch wie die zweite Welle werden.
Wenn wir aber doppelt so viele Menschen impfen können, wird die dritte Welle viel flacher. Die Zahlen wären Ende Sommer etwa wieder da, wo wir jetzt stehen. Wenn man die Zahlen anschaut, die heute an der Medienkonferenz in Bern präsentiert wurden, deutet es darauf hin, dass dieses zweite Szenario wahrscheinlicher sein dürfte. Es ist nur eine Modellierung. Aber sie gibt einen guten Eindruck davon, wie zentral das Impfen beim Bekämpfen der Pandemie ist.
Zuerst wurden nun ja die Ältesten in der Gesellschaft geimpft. Mit Erfolg. Die Ansteckungsrate in den Alters- und Pflegeheimen ist gesunken. Nun sorgt man sich um die nächst jüngere Generation. Wie gefährdet sind die 50- bis 70-jährigen?
Sie sind deutlich weniger gefährdet als die ganz alten Menschen. Das ist die gute Nachricht und das ist auch bekannt. Nur: Bereits in der zweiten Welle war es die Gruppe der unter 70-Jährigen, die vor allem auf den Intensivstationen lag. Siebzig Prozent aller Menschen auf den Intensivstationen waren jünger als 70. Die älteren Erkrankten kamen gar nicht auf die Intensivstationen, wenn sie einen schweren Verlauf hatten. Oft starben sie im Altersheim.
Umgekehrt heisst das: Wenn sich jetzt bei der dritten Welle zu schnell zu viele auch jüngere Menschen anstecken würden, könnten die Spitäler trotz allem noch überlastet werden. Auch deshalb ist es wichtig, möglichst schnell zu impfen.
Bis Ende Juni sollen alle geimpft sein, die das wollen. Wie viele Menschen müssten das sein, damit ein normales Leben ohne Einschränkungen aus wissenschaftlicher Sicht gerechtfertigt wäre?
Es ist die Frage, was «aus wissenschaftlicher Sicht gerechtfertigt» heisst. Bei der ansteckenderen Variante des Coronavirus spricht man von etwa 80 Prozent, die geimpft sein oder die Krankheit gehabt haben müssten, um eine Herdenimmunität zu erreichen. Aber diese hohe Zahl, bei der auch die Kinder mitgezählt sind, werden wir wohl nie erreichen.
Das heisst: Sobald man die Massnahmen total aufhebt, könnte es nochmals zu einer Welle kommen – einfach unter den Menschen, die sich nicht geimpft haben. Deshalb ist es so wichtig und wird wohl auch regelmässig betont: Total lockern kann man erst, wenn zumindest alle geimpft sind, die das auch wollen.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.