Abstimmen über das Internet sei die Zukunft, findet der Bundesrat. Die Regierung will das Tempo erhöhen und bis 2019 in 18 Kantonen E-Voting im Einsatz haben. Bundeskanzler Walter Thurnherr spricht von einem «Signal zugunsten der politischen Rechte im 21. Jahrhundert».
Skeptische Jungparteien
Doch ausgerechnet von der wichtigsten politischen Zielgruppe – den jungen Staatsbürgern – kommt jetzt Widerstand. Die «Rundschau» hat Jungpolitiker von links bis rechts zu einer Diskussion in die Wandelhalle im Bundeshaus eingeladen. Das Gespräch zeigt: Gerade die Jungen äussern sich überraschend skeptisch zum E-Voting:
V.l.n.r.: Tamara Funiciello (Juso), Benjamin Fischer (JSVP), Pascal Vuichard (JGLP) und Matthias Müller (Jungfreisinnig).
- Tamara Funiciello, Präsidentin Juso: «Das Abstimmungsgeheimnis ist sehr wichtig. Man darf nie wissen, wer wie abgestimmt hat. Gerade in Zeiten, wo autoritäre Staaten zulegen, muss man sehr vorsichtig sein.»
- Benjamin Fischer, Präsident JSVP: «Wir sind vor allem sehr skeptisch wegen des Vertrauens. Abstimmungen sind der Grundpfeiler der Demokratie. Selbst wenn wir ein System hätten, das tatsächlich funktioniert, ist es sehr schwierig, dieses so transparent zu gestalten, dass es jeder nachvollziehen kann.»
- Pascal Vuichard, Co-Präsident JGLP: «Es ist wirklich ein Abwägen von Chancen und Risiken. Beim E-Voting sehen wir heute grössere Risiken als Chancen.»
- Matthias Müller, Vize-Präsident Jungfreisinnige: «Die 100-prozentige Garantie wirst du nie haben. Beim Konzept E-Voting geht es um das höchste Gut, es geht um das Vertrauen ins Wahlgeheimnis und ins Abstimmungsresultat.»
Positionspapier der Juso gegen E-Voting
Ob die skeptische Haltung der Jungparteien auch in einen aktiven Widerstand gegen das E-Voting mündet, ist noch unklar. Mit der Juso hat sich aber bereits die erste Partei offiziell dagegen gestellt. In einem gerade erst verabschiedeten Positionspapier zur Digitalisierung halten die Jungsozialisten fest: «Wir sprechen uns momentan dagegen aus, Abstimmungen und Wahlen elektronisch durchzuführen, dies aus Sicherheitsbedenken, welche nicht unbegründet sind, wie z.B. die Wahlen in den USA oder die erfolgten Hacking-Angriffe auf EDA, VBS und Ruag zeigen.»
Projekt stoppen
Gar zu einem E-Voting-Stopp ruft der Luzerner Informatik-Unternehmer und SVP-Nationalrat Franz Grüter auf. Zurzeit fährt er von Kanton zu Kanton, um gegen das Projekt Stimmung zu machen.
Er sei kein Innovations-Verhinderer, sagt Grüter der «Rundschau». Die Risiken seien aber zu gross: «Es ist eine wirkliche Gefahr für unsere Demokratie.» Grüter verweist auf die staatliche Rüstungsfirma Ruag. Während Monaten wurde sie gehackt, ohne dass es jemand gemerkt hätte.
Viele Länder haben ihre E-Voting-Projekte mittlerweile gestoppt. Zum Beispiel Deutschland, Frankreich und Grossbritannien. Norwegen stand kurz vor der flächendeckenden Einführung – stieg aber wieder komplett auf Papier um – wegen Sicherheitsbedenken.
In der Schweiz haben schon heute acht Kantone das E-Voting für Auslandschweizer eingeführt. Freiburg, Basel-Stadt, St. Gallen, Neuenburg und Genf bieten E-Voting auch im Inland an. Bei der letzten Volksabstimmung waren bereits über 100‘000 Wähler im Inland zugelassen.