Spektakulär gescheiterte IT-Projekte, Schiffbruch bei der E-ID, Corona-Befunde, die noch per Fax übermittelt werden – die Schweizer Verwaltung tut sich schwer mit der Digitalisierung.
Bei der Digitalisierung der Verwaltung ist viel Fahrtwind vorhanden!
Das könnte sich bald ändern: Mit Peppino Giarritta hat das Land seit März seinen ersten Beauftragten für die digitale Verwaltung. Als Leiter der neuen Organisation Digitale Verwaltung Schweiz (DVS) soll er Digitalisierungsprojekte von Bund, Kantonen und Gemeinden steuern und koordinieren.
«Ich habe Respekt vor dieser Aufgabe», sagt Giarritta im Interview mit SRF Digital. «Aber meine ersten Erfahrungen sind positiv. Ich spüre grosses Interesse an der Zusammenarbeit zwischen den Staatsebenen. Da ist viel Fahrtwind vorhanden!»
Private haben es oft einfacher
Zuvor hat Giarritta elf Jahre lang die digitale Verwaltung und das E-Government des Kantons Zürich geleitet. Er kennt die Materie also wie kaum jemand anderes.
Im Vergleich mit der Privatwirtschaft schneide die Verwaltung bei der Digitalisierung miserabel ab, wird oft kritisiert. Doch für Peppino Giarritta hinkt der Vergleich: «Verwaltungen müssen nach gesetzlichen Grundlagen handeln. Im privaten Bereich ist es umgekehrt: Wenn das Gesetz etwas nicht verbietet, dann ist es mehr oder weniger erlaubt. Wenn bestimmte digitale Lösungen in der Verwaltung nicht längst umgesetzt sind, hat das auch damit zu tun.»
International steht die Schweiz schlecht da
Allerdings: Diese Unterschiede allein können den Rückstand der Schweizer Verwaltung nicht erklären. Denn auch im Vergleich mit anderen Ländern schneidet sie schlecht ab.
Der E-Government-Benchmark der EU untersucht regelmässig die Fortschritte in der Digitalisierung der Verwaltung. In der aktuellen Ausgabe von 2020 hat er 36 europäische Länder verglichen. Die Schweiz landet abgeschlagen auf Rang 29, alle Nachbarländer schnitten besser ab.
Für Peppino Giarritta liegt das auch daran, dass die Schweizer Verwaltung selbst ohne digitale Angebote ganz gut funktioniere: «Der Leidensdruck, etwas zu ändern, ist bei uns nicht so gross wie vielleicht in anderen Ländern. Das wurde auch bei der Abstimmung über die E-ID klar: Die Notwendigkeit einer solchen elektronischen Identität war nicht gross genug. Die Leute hatten nicht das Gefühl, ohne E-ID im Umgang mit der Verwaltung schlechter dazustehen.»
Ohne E-ID sei effiziente Verwaltung kaum möglich
Doch die E-ID sei eine zentrale Voraussetzung, um die sichere und einfache Kommunikation zwischen der Bevölkerung und der Verwaltung möglich zu machen, glaubt Giarritta. Er will sich darum weiter für deren Einführung einsetzen: «Ohne E-ID wird die digitale Verwaltung langfristig nicht funktionieren, das zeigt auch die Entwicklung im Ausland.»
Ohne E-ID wird die digitale Verwaltung langfristig nicht funktionieren.
Danach gefragt, wo sonst noch dringender Handlungsbedarf bestehe, bleibt Giarritta dagegen vage: «Es geht darum, gemeinsame Projekte anzustossen – zwischen dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden. Aus diesen Projekten werden vielleicht noch keine unmittelbaren Angebote für die Bürgerinnen und Bürger entstehen, denn der grösste Handlungsbedarf liegt im Moment bei den Grundlagen.»
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Die Voraussetzungen der Schweizer Verwaltung, doch noch zur europäischen Spitze aufzuschliessen, sind jedenfalls gegeben: In Sachen Basis-Infrastruktur, zum Beispiel was das Mobilfunknetz und die Zahl der Breitband-Anschlüsse angeht, steht die Schweiz weltweit ganz vorne. Und auch die Schweizer Forschung und Hightech-Branche muss sich in Sachen Innovationskraft nicht vor dem Ausland verstecken.