Dass die Schweizer Behörden sich mit der Digitalisierung schwertun, ist keine neue Erkenntnis. Die Corona-Pandemie hat sie nur noch einmal bestätigt: FAX-Geräte im BAG, Probleme beim Einreichen von Formularen für die Kurzarbeit, das Debakel um die Impfplattform Meineimpfungen.ch – Lücken gibt es viele.
Immerhin gibt es nun auch jemanden an zentraler Stelle, der diese Lücken schliessen soll: Peppino Giarritta, von Bund und Kantonen zum Leiter der neuen Organisation Digitale Verwaltung Schweiz (DSV) ernannt, soll die digitalen Projekte von Bund, Kantonen und Gemeinden steuern und koordinieren.
Als langjähriger Leiter der Abteilung Digitale Verwaltung und E-Government des Kantons Zürich ist Giarritta dazu bestens qualifiziert. Doch seine Aufgabe ist keine leichte: Im föderalen System der Schweiz prallen auch bei der Digitalisierung die unterschiedlichsten Interessen und Ängste aufeinander. Die DSV, im Eidgenössischen Finanzdepartement angesiedelt, wird deshalb nicht einfach von oben herab Lösungen befehlen können.
Bisher fehlte oft der Wille
Der Föderalismus mag ein Grund sein, weshalb es in der Schweizer Verwaltung mit der Digitalisierung langsamer vor sich geht als im Ausland. Der von Giarritta angeführt Umstand, der Leidensdruck bei uns sei kleiner als in anderen Ländern, wo herkömmliche, analoge Verwaltungsvorgänge weniger gut funktionierten, ein anderer. Doch diese Punkte dürfen nicht als Ausrede dienen.
Denn bei der Digitalisierung der Verwaltung fehlte in den letzten Jahren oft auch einfach der Wille, Projekte voranzutreiben und der Mut, Neues auszuprobieren. Um Fortschritte zu machen, müssen mehr Ressourcen gesprochen und mehr qualifizierte Leute rekrutiert werden. Es wird sich zeigen, wie erfolgreich Peppino Giarritta solche Forderungen in den politischen Prozess einbringen kann.
Giarritta sagt, er habe in seinen ersten Wochen im Amt ein grosses Interesse an der Zusammenarbeit zwischen den Staatsebenen gespürt, es sei viel Fahrtwind vorhanden. Zumindest das Interesse, mit der Digitalisierung nun vorwärts zu machen, scheint also vorhanden.
Bevölkerung muss überzeugt werden
Doch nicht nur bei den Behörden und bei der Politik muss ein Umdenken stattfinden, auch in der Bevölkerung. Anders gesagt: Die Schweizerinnen und Schweizer müssen davon überzeugt werden, dass eine digitale Verwaltung für sie Vorteile hat. Dabei dürfen berechtigte Sorgen wie der Datenschutz nicht vergessen gehen.
Geht das vergessen, droht digitalen Lösungen der Schiffbruch. Das hat im März die Abstimmung über die elektronische Identität gezeigt, als das E-ID-Gesetz an der Urne mit gut 65 Prozent Nein-Stimmen deutlich abgelehnt wurde.
Die Nachbefragung zur Abstimmung zeigt, dass das Nein in erster Linie mit der Frage des Datenschutzes zu tun hatte und sich viele daran störten, dass nicht der Staat, sondern Private eine solche E-ID hätten herausgeben sollen.
Wie geht es weiter mit der E-ID?
Peppino Giarritta stellt richtig fest, dass eine moderne, digitale Verwaltung nicht um eine elektronische Identität herumkommt, mit der sich Bürgerinnen und Bürger im digitalen Raum sicher und einfach ausweisen können. Er will das Projekt der E-ID darum auch nach der Abstimmungsniederlage weitertreiben.
Wie es in dieser Sache weitergeht, ist ein erster Massstab, an dem sich die Durchschlagskraft seiner neuen Organisation messen lassen wird.