Herzliches Händeschütteln am Montagmorgen im Berner von-Wattenwyl-Haus zwischen Bundesrat Ignazio Cassis und seinem faktischen Pendant des Vatikans, Kardinal Pietro Parolin: Wegen der Coronakrise fand es ein Jahr später statt als geplant. Dafür gab es jetzt nicht nur das diplomatische Jubiläum zu feiern, sondern die neuen Schweizer Botschaftspläne zu verkünden.
Bisher waren die Schweizer Interessen im Vatikan via Slowenien wahrgenommen worden, vom Botschafter in Ljubljana. Dies auch, weil der Schweizer Botschafter oder die Botschafterin in Rom als Botschafter in Italien nicht auch beim Vatikan akkreditiert sein darf. Mit dem eigenen Botschafter für den Vatikan könne die Schweiz die diplomatischen Beziehungen vertiefen.
Das sagte Cassis nach dem Gespräch mit Parolin. Es sei ein starkes Signal an den Vatikan, die Zusammenarbeit und den Dialog zu vertiefen, so der Aussenminister. Parolin, der Staatssekretär des Vatikans, ergänzte, bei den Beziehungen werde es vor allem um internationale Fragen gehen. Fragen, die man nur zusammen mit vielen Staaten dieser Welt anpacken könne. Damit meinte er zum Beispiel die Friedensförderung, aber auch den globalen Klimaschutz.
Rücksicht auf reformierte Kirche
Dass die Schweiz noch nie einen Botschafter beim Vatikan hatte, liegt in ihrer Geschichte als konfessionell gespaltener Staat begründet. Zwar war der Kirchenstaat, damals noch mächtiger als heute, ab dem 16. Jahrhundert in der Schweiz diplomatisch präsent. Aber nach der Gründung des Bundesstaats, dem ein Bürgerkrieg zwischen Katholiken und Reformierten vorausgegangen war, brachen die Schweiz und der Vatikan die diplomatischen Beziehungen 1873 ab.
Was uns irritiert, ist, dass der Bundesrat lediglich die Kompetenzen der einen Konfession nutzt für seine Friedensmission.
Erst 1920 entsandte der Papst dann wieder einen Botschafter in die Schweizer Bundesstadt. Und noch einmal 70 Jahre später erst bekam ein Schweizer Botschafter offiziell das Dossier des Vatikans. Das alles geschah immer aus Rücksicht auf die reformierte Kirche in der Schweiz, auf das konfessionelle Gleichgewicht im Land.
Noch 2012 hatte der Bundesrat geschrieben, eine eigene Botschaft beim Vatikan sei nicht nötig. Auch heute runzelt Rita Famos, Präsidentin der evangelisch-reformierten Kirche der Schweiz, die Stirn über den Entscheid des Bundesrats.
Es sei sicher gut, wenn der Bundesrat auch mit dem Papst über den Weltfrieden rede. Aber: «Was uns irritiert, ist, dass der Bundesrat lediglich die Kompetenzen der einen Konfession nutzt für seine Friedensmission.» Cassis versicherte heute, der Schweizer Bundesstaat bleibe auch mit einem Botschafter im Vatikan konfessionell neutral. Und wohl auch als Zeichen, dass das nicht nur Beteuerungen sind, nahmen er und sein Gast aus Rom heute eine Einladung für ein Treffen mit der Synode – dem Parlament der Schweizer Protestanten – im Berner Rathaus an.