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Diskussion um vierte Gewalt Berner Regierung rügt Medien – ein unüblicher Akt

Zwei Tamedia-Zeitungen hätten einen Polizeieinsatz in Bern zu gefährlich dargestellt, kritisiert die Berner Regierung. Wie legitim ist diese politische Einmischung?

Dieser Fall warf 2021 mediale Wellen: Bei einer Polizeikontrolle in der Nähe des Bahnhofs Bern fixierten Beamte einen Mann, der Gegenwehr leistete, am Boden. Zufällig anwesende Medienschaffende der Tamedia-Zeitungen «Der Bund» und «Berner Zeitung» beobachteten den Vorfall und berichteten darüber. Brisant: Sie erinnerten dabei an den Fall George Floyd, der bei einem Polizei-Einsatz in den USA starb.

2023 forderte das Berner Kantonsparlament in einer Motion, der Regierungsrat möge die Ereignisse nochmals aufrollen und die Fakten richtigstellen.

Kritik am Vergleich mit dem Fall George Floyd

Nun hat die Berner Kantonsregierung einen entsprechenden Bericht veröffentlicht. Darin kommt sie zum Schluss, die Berichterstattung von «Bund» und «Berner Zeitung» sei grösstenteils angemessen gewesen und enthalte «wahre und von hohem öffentlichem Interesse geprägte Tatsachenbehauptungen».

Naheaufnahme eines Polizistengürtels mit Utensilien.
Legende: Der Polizist, der den Mann zu Boden brachte, wurde mittlerweile rechtskräftig vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs und der Tätlichkeit freigesprochen. (Symbolbild) Keystone/Peter Schneider

Kritik übt sie jedoch am Vergleich zum Fall von George Floyd. Im Berner Fall habe zu keinem Zeitpunkt Lebensgefahr bestanden. Die Zeitungen hätten unter anderem die kurze Dauer der Fixierung unterschlagen und den betroffenen Polizisten ungenügend verpixelt.

Die Polizeiaktion wurde als viel gefährlicher dargestellt, als sie war – und zwar wissentlich.
Autor: Philippe Müller Sicherheitsdirektor Kanton Bern

Sicherheitsdirektor Philippe Müller sagt dazu: «In der Berichterstattung wurde die Polizeiaktion als viel gefährlicher dargestellt, als sie war – und zwar wissentlich.» Dies habe dazu geführt, dass ein Angehöriger der Kantonspolizei Bern vorverurteilt und eines Gewaltverbrechens bezichtigt worden sei.

Chefredaktion weist Vorwürfe zurück

Die Chefredaktion der beiden Zeitungen weist die Vorwürfe des Regierungsberichts in einer Stellungnahme zurück: «Eine unmittelbare Gleichsetzung mit dem Fall George Floyd in den USA ist in besagtem Artikel nicht gemacht worden. Aufgrund der Aktualität war es damals vielmehr naheliegend, auf den aufsehenerregenden Vorfall in den USA zumindest Bezug zu nehmen.» Die Redaktion habe in einem späteren Kommentar dargelegt, dass die beiden Fälle nicht vergleichbar seien.

Zwei Reihen mit Zeitungsstapeln liegen im Parlamentsgebäude auf.
Legende: «Bund» und «BZ» betonen in ihrer Stellungnahme, sie hätten freiwillig die Fragen des Kantons zu ihrer Berichterstattung beantworte, «um zu einem besseren Verständnis der Medienarbeit beizutragen.» Keystone/Alessandro della Valle

Ein Fehler sei jedoch gewesen, dass teils problematische Leserkommentare nicht gelöscht worden seien. Dafür habe sich die Redaktion bereits früher entschuldigt.

Wächterfunktion der Medien

Bleibt die Frage: Warum beschäftigt sich eine Regierung überhaupt mit dieser Medienberichterstattung? Üblicherweise wird eine Medienkritik beim schweizerischen Presserat deponiert. Sicherheitsdirektor Philipp Müller sagt: «Es war ein krasser Fall, bei dem ein Mitarbeiter massiv vorverurteilt worden ist.» Und wenn das Kantonsparlament eine Motion einreiche, müsse sich die Regierung damit beschäftigen.

Es ist nicht Aufgabe der Regierung, die Medienarbeit systematisch zu prüfen.
Autor: Markus Müller Staatsrechtprofessor Universität Bern

Dass eine Regierung Medienschelte betreibt, ist laut Markus Müller, Staatsrechtsprofessor an der Universität Bern, unüblich. «Die Medien haben eine Wächterfunktion. Es ist nicht Aufgabe der Regierung, die Medienarbeit systematisch daraufhin zu prüfen, ob sie diesen Anforderungen genügt, und gegebenenfalls Kritik zu üben», sagt er gegenüber Radio SRF.

Presserat bedauert den Weg der Regierung

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Der Schweizer Presserat bedauert, dass ihm die Berichterstattung von «Bund» und «Berner Zeitung» über einen Polizei-Einsatz nicht zur Beurteilung vorgelegt wurde. Bei ihm sei nie eine Beschwerde eingegangen, teilte er mit.

Der Fall werfe primär berufsethische Fragen auf. Es sei Sache des Presserats, solche zu klären, schrieb er in einer Mitteilung. Ob eine Verletzung des Berufskodex vorliege, lasse sich jeweils erst nach einem differenzierten Verfahren und der Beratung durch das unabhängige Presseratsgremium feststellen.

«Der Presserat bedauert, dass diese niederschwellige Möglichkeit vorliegend nicht genutzt wurde», schrieb er weiter.

Werde unsachlich, verzerrt oder einseitig berichtet, könnten sich Betroffene beim schweizerischen Presserat melden. Und wo die Berichterstattung gar strafrechtliche Relevanz erhält, stehe das Strafverfahren zur Verfügung.

Der Bericht der Regierung kommt im Juni im Kantonsparlament zur Sprache. Der Schweizer Presserat hat sich nicht mit dem Thema befasst.

Regionaljournal Bern, Freiburg, Wallis, 23.1.2025, 17:30 Uhr ; 

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