Seit mehreren Jahren setzt die Kantonspolizei Thurgau bei der Jagd auf Raser Drohnen ein – in der Schweiz (noch) einzigartig. Der Vorteil ist offensichtlich. Ein Raser merkt nicht, wenn eine Drohne weit über ihm filmt, realisiert aber sehr wohl, wenn er von einem Radarkasten geblitzt wird.
Grosse Differenz in den Auswertungen
Die Thurgauer Methode ist aber nicht unumstritten. Das zeigt ein konkreter Fall: Auf einer 80er-Strecke soll ein Mann laut Polizei 175 km/h gefahren sein. Das logische Resultat ist ein Führerausweisentzug. Allerdings legt der Betroffene Rekurs ein. Die Strassenverkehrskommission lehnt ab, mit der Begründung: Selbst wenn man alles zugunsten des Fahrers auslege, sei er immer noch 144 km/h gefahren.
64 km/h Unterschied gelten immer noch als Raserdelikt. Die Differenz zwischen den Auswertungen ist mit 31 km/h aber ziemlich gross. Genau darum zweifelt der Anwalt des Beschuldigten, Stefan La Ragione, die Methode an.
Politischer Widerstand angekündigt
Zu SRF sagt La Ragione: «Die Berechnung hält nicht stand, weil die Position der Drohne nicht berücksichtigt wird. Die Eigenbewegung, die Blickwinkel, die Perspektive der Drohne in Bezug auf den Festpunkt Fahrstrecke – das hält nicht stand. Schon gar nicht mit einem Zeitmessgerät, das nicht geeicht ist.»
Die Berechnung hält nicht stand, weil die Position der Drohne nicht berücksichtigt wird.
Nach Bekanntwerden des Falls im letzten Herbst regte sich zudem ein erster politischer Widerstand. Der Aargauer SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner kündigte an, sich gegen diese Praxis in seinem Kanton «mit allen Mitteln» wehren zu wollen. Der Thurgauer SVP-Nationalrat Manuel Strupler verwies darauf, dass es andere Bereiche der polizeilichen Arbeit gebe, die mehr Aufmerksamkeit verdient hätten.
Verurteilung nur wegen Geständnissen
Seit dem Start der Ermittlungsmethode kamen eine Handvoll mutmassliche Raserdelikte dank einer Drohne zur Anzeige. In nur zwei Fällen gab es rechtskräftige Verurteilungen – durch Geständnisse. Ein konkreter richterlicher Entscheid zu einem Drohneneinsatz fehlt bis heute.
Demnach wüssten auch der beschuldigte Raser aus dem Thurgau und sein Klient nicht, woran man sei, so Stefan La Ragione. Solange wolle er auch die polizeiliche Methode infrage stellen: «Der Staat muss dem Beschuldigten die genaue Geschwindigkeit vorlegen und beweisen können, um ihn zu verurteilen. Das ist nicht der Fall. Wir haben diesen Beweis in Form der Geschwindigkeit nicht.»
Bund wartet auf gerichtlichen Entscheid
Beim Bund ist man sich der Widerstände bewusst und auch dessen, dass Drohnen nicht als automatische Überwachungsanlage im Sinn des Messgesetzes gelten. Man hoffe auf ein Gerichtsurteil, sagt Thomas Rohrbach, Mediensprecher des Bundesamts für Strassen ASTRA: «Ein Entscheid gäbe Rechtssicherheit für die Untersuchungsbehörde, für die Kontrollbehörde, für die Polizei und die Staatsanwaltschaft.»
Nach einem Urteil wüssten die Verantwortlichen, unter welchen Umständen eine Drohne eingesetzt werden darf.
Das ASTRA begrüsse den Einsatz moderner Technologien, sagt Rohrbach. «Nach einem Urteil wüssten die Verantwortlichen, unter welchen Umständen eine Drohne eingesetzt werden darf, wie viel Sicherheitsmarge abgezogen werden muss oder in welchen Fällen sich ein Drohneneinsatz eben nicht eignet.»
Die Staatsanwaltschaft will bis im Sommer Anklage erheben. Bis Ende Jahr könnte es ein Gerichtsurteil geben, ob die Drohnenmethode der Kantonspolizei Thurgau rechtens ist.