Die versteckte Kamera läuft. Mit 300 Franken im Sack betritt der Reporter den Pokerclub «Full Ring». Erst wenige Spieler sitzen an einem der Tische im Industriequartier von Wallisellen. Laut Webseite wird hier «ohne Geldeinsatz» gespielt. Das erste Spiel ist tatsächlich kostenlos. Dem Undercover-Reporter gehen schon bald die Chips aus.
An der Bar wird ihm erklärt, er könne beim Mann im Kapuzenpullover Plaketten kaufen. Am Tisch tauscht der sogenannte Dealer dann die Plaketten in Chips um. Der Reporter spielt mit Chips im Wert von 300 Franken. Andere haben deutlich mehr. Pro Runde nimmt der Dealer ein paar Chips aus der Tischmitte. Jedes Mal eine Spielgebühr, den sogenannten «Rake», einzustreichen, ist nicht erlaubt.
Nach ein paar Stunden hat der Reporter genug gesehen. Der Mann im Kapuzenpullover tauscht ihm die Plaketten zurück in Bargeld. Die versteckte Kamera dokumentiert in diesem Moment, wie ein neuer Gast dem Kapuzenmann eine 1000er-Note zum Wechseln zusteckt. Um solche Summen zu zocken, wäre klar verboten.
Draussen vor dem Lokal erzählt ein Spieler, er habe heute schon 800 Franken verloren. Die Nacht sei aber noch nicht zu Ende. Er pokere beruflich, nur habe er gerade eine Pechsträhne. Allein diesen Monat habe er 12'000 Franken verloren.
«Was im Pokerclub läuft, ist nicht zulässig»
Rechtsanwalt Manuel Bader vertritt Leute, die beim illegalen Onlinepoker hohe Beträge verloren haben. Er schaut sich das verdeckt gedrehte Filmmaterial an: «Was da läuft, ist nicht zulässig», sagt der Jurist zum Spiel im «Full Ring». Denn: Die Obergrenze von 300 Franken pro Abend und 200 Franken pro Spiel wird überschritten. Wird um höhere Einsätze gespielt, braucht es eine Casino-Konzession. Zudem streicht der Club für jede gespielte Runde eine Gebühr ein. Auch das gehe ohne Konzession nicht. Laut Einschätzung des Geldspielexperten handle es sich hier um «illegales Geldspiel».
Spielsucht kann Existenzen zerstören
Simon war 30 Jahre lang spielsüchtig, er heisst eigentlich anders. Mit Pokern und anderen Glücksspielen habe er zweieinhalb Millionen Franken verloren, schätzt er. Möglich war das dank gutem Job sowie Krediten bei der Bank und Bekannten. «Seit etwa drei Jahren bin ich clean», sagt Simon. Er muss noch 350'000 Franken Schulden abzahlen. Verzockt hat er sich auch im «Full Ring» in Wallisellen: «Dort habe ich an einem Abend 4000 Franken liegen lassen.»
«Hauptfigur» will nichts mit Pokerclub zu tun haben
Hinter dem Club «Full Ring» steht der Präsident der Swiss Poker Sport Associaton (SPSA). Sascha Kouba sagt gegenüber SRF Investigativ, er habe mit dem Club nichts zu tun. Er vermiete nur die Räumlichkeit. Doch 2019 tönte es bei einem protokollierten Szenetreffen ganz anders: «Ich bin Sascha Kouba. Einigen, zumindest bestimmt in der Region, bin ich bekannt als die Hauptfigur des Pokerclubs Full Ring». In seiner Stellungnahme schreibt Kouba: «Falls Sie wirklich recht haben und ‹Full Ring› nicht innerhalb der Gesetze agiert, würden wir das nicht dulden.».
Doch SRF Investigativ weiss, dass gegen ihn und zwei weitere Personen ein Verwaltungsstrafverfahren wegen mehrfacher Organisation von Glücksspielen ausserhalb konzessionierter Spielbanken läuft – laut Strafverfügung «begangen» im Jahr 2017. In der Strafverfügung, die SRF Investigativ vorliegt, beschreiben Zeugen den gleichen Ablauf, wie ihn der Undercover-Reporter jetzt dokumentierte. Die Strafverfügung hat Sascha Kouba angefochten. Es gilt die Unschuldsvermutung.
«Full Ring» schliesst, der Präsident tritt zurück
In der SPSA ist er für rechtliche Belange zuständig: Alexandre Touihri. Er ist zudem Vereinspräsident des «Full Ring». Touihri schreibt SRF Investigativ, er sei «nicht direkt in die Organisation des Vereinsalltags involviert», er kümmere sich um die Administration. Sollte es zu mutmasslich illegalen Geldspielen gekommen sein, hätten diese «ohne mein Wissen oder meine Zustimmung» stattgefunden. Er trete als Vereinspräsident zurück und sei bereit, mit den Behörden zu kooperieren.
Laut Strafverfügung der Eidgenössischen Spielbankenkommission, die SRF Investigativ vorliegt, weist Touihri den Vorwurf, es werde mit Geldeinsatz gespielt, zurück. Sie würden mit Kameras kontrollieren, dass kein Geld auf dem Tisch sei. Die Beschuldigten haben die Strafverfügungen angefochten. Das Verfahren ist also noch hängig. Für die Beschuldigten gilt bis zu einem rechtskräftigen Urteil die Unschuldsvermutung.
Ende Mai kommt es am Bezirksgericht Bülach gegen drei Personen zur Strafverhandlung. Die dritte Person, ein Angestellter, hätte angeblich überprüfen sollen, dass nicht um Geld gespielt wird. Unmittelbar nach der Konfrontation durch SRF Investigativ schloss der Pokerclub seine Türen.
Support für Clubs gegen Gewinnbeteiligung?
Recherchen von SRF Investigativ zeigen: Der Verband, der sich gegen aussen für sauberen Pokersport einsetzt, ist mit seinem SPSA-Logo nicht nur im umstrittenen «Full Ring» präsent. Laut mehreren Quellen werde auch in anderen Schweizer Clubs, welche dem Verband angeschlossen sind, mutmasslich illegal um Geld gespielt. Die Clubs würden mit Personal und Plaketten versorgt.
«Hinter diesem System standen Vorstandmitglieder der SPSA», sagt einer der Insider, der anonym bleiben will. Diese hätten den Clubs rechtliche Hilfe bei Problemen mit dem Gesetz zugesichert und einen Anteil am Gewinn eingestrichen, sagen verschiedene Quellen. Der SPSA-Vorstand Alexandre Touihri bestreitet sämtliche Vorwürfe als «unbegründet und falsch».
Untätige Behörden?
Der Unmut in der Pokerszene ist gross. Seit das Geldspielgesetz legale Turniere wieder erlaubt, haben zwar viele Pokerclubs eine Bewilligung. Doch illegale Clubs machen ihnen grosse Konkurrenz. «Hinzu kommt, dass Clubs mit Bewilligung nebenher trotzdem noch illegale Spiele durchführen», sagt René Ruch, er ist der ehemalige Präsident des SPOV, des ersten Pokerverbands der Schweiz.
Das neue Gesetz sei eine grosse Errungenschaft, sagt René Ruch. Denn: «In der Pokerszene sind Anbieter illegaler Spiele leider in der Überzahl.» Er befürchtet, Pokern könnte wegen der vielen schwarzen Schafe wieder ganz verboten werden. Behörden würden konkrete Hinweise auf illegale Clubs zu wenig ernst nehmen. «Die legale Pokerszene kann sich nicht weiterentwickeln, wenn die illegalen Spiele nicht unterbunden werden», so Ruch.
Die Eidgenössische Spielbankenkommission ESBK weist den Vorwurf der Untätigkeit «entschieden zurück». Sie habe in den letzten Jahren 30 Verfahren im Zusammenhang mit illegalem Pokerspiel geführt. Dazu gehöre das Verfahren gegen den Club «Full Ring».
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