CONTRA:
Etwas durchsetzen, was bereits beschlossen ist: das tönt logisch und folgerichtig.
Die Durchsetzungsinitiative aber wolle nicht einfach die bereits beschlossene Ausschaffungsinitiative durchsetzen, sagt Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga. Vielmehr verschärfe sie sie, schaffe Ungerechtigkeiten und erschwere die internationalen Beziehungen.
Vor allem aber gefährde die Durchsetzungsinitiative unser demokratisches System: «Diese Initiative bricht mit den Grundregeln unserer direkten Demokratie», so die Justizministerin. Bisher gilt: Das Volk bestimmt mittels Initiativen über Verfassungsartikel. Das Parlament giesst diese dann in konkrete Gesetze um, verschiedene Behörden wenden sie an und die Gerichte legen sie aus.
Diese Initiative bricht mit den Grundregeln unserer direkten Demokratie.
Die sehr detaillierte Durchsetzungsinitiative stellt diese Gewaltenteilung in Frage. Sie zählt genau auf, welche Vergehen zu einer Landesverweisung führen müssen, welche im Wiederholungsfall und wie der Vollzug geregelt wird. Damit werde das Volk zum Gesetzgeber und zum Richter, kritisiert Sommaruga. Das sei völlig systemwidrig: «Wenn die Bevölkerung selber die Gesetze macht, kann sie nicht die gesamte Bundesverfassung beachten. Stattdessen macht sie nur einen einzelnen Artikel – und widerspricht unter Umständen etwa der Menschenrechtskonvention», so Sommaruga. Und das seien «grundlegende Änderungen unserer direktdemokratischen Spielregeln.»
PRO:
SVP-Nationalrat Gregor Rutz bestreitet, dass die Durchsetzungsinitiative die Gewaltenteilung verletze. Er macht aber klar, dass es für ihn schon eine klare Hierarchie der Gewalten gibt: «Der Chef in unserem Land ist die Bevölkerung und nicht das Parlament oder der Bundesrat. Das hat sich so bewährt und ist auch gut so.» Er sei froh, dass das Volk diese Chefrolle auch immer wieder wahrnehme, sagt Rutz.
Dieser Volkswille sei bei der Umsetzung der vor fünf Jahren angenommenen Ausschaffungsinitiative missachtet worden, kritisiert Rutz. Das Parlament wolle den Gerichten bei der Ausschaffung von straffällig gewordenen Ausländern zu viel Spielraum lassen: «Die Härtefallklausel erlaubt dem Richter in jedem Fall, Ausnahmen zu machen und von einer Landesverweisung abzusehen.» Damit sei der Kernauftrag der Ausschaffungsinitiative, ihr wesentlicher Punkt, nicht erfüllt: «Und das ist nicht im Sinne der Bevölkerung, die damals die Initiative angenommen hat.»
Der Chef in unserem Land ist die Bevölkerung und nicht das Parlament oder der Bundesrat.
Noch bevor das Parlament überhaupt mit den Umsetzungsarbeiten begonnen hatte, lancierte die SVP deshalb die Durchsetzungsinitiative. Sie verlangt nicht nur nach schweren Delikten wie Mord, oder Vergewaltigung eine Ausschaffung nach der Haftstrafe, sondern auch bei weit geringeren Vergehen – etwa bei Raufhandel oder Hausfriedensbruch, wenn sie zweimal innert zehn Jahren begangen wurden.
Wir wollen keine kriminellen Ausländer in der Schweiz. Ich sehe nicht ein, warum wir solchen Leuten Obhut gebieten sollten.
Das könnte bis zu 8000 Landesverweise pro Jahr zur Folge haben – rund doppelt so viele, wie mit dem Umsetzungsvorschlag des Parlaments. Allerdings würden vor allem mehr leichtere Fälle ausgeschafft, weil Schwerkriminelle bereits jetzt des Landes verwiesen werden.
SVP-Mann Rutz nimmt das in Kauf: «Wir wollen keine kriminellen Ausländer in der Schweiz. Ich sehe nicht ein, warum wir solchen Leuten Obhut gebieten sollten.» Auch nicht, wenn es Leute sind, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind.
Für Regierung, Parlament und für Bundespräsidentin Sommaruga ist das unmenschlich und ungerecht: «Diese Initiative behandelt Ausländerinnen und Ausländer wie Menschen zweiter Klasse.»
Diese Initiative behandelt Ausländerinnen und Ausländer wie Menschen zweiter Klasse.