Die grüne Welle hat den Kanton Zürich regelrecht überrollt. Deutlicher als erwartet haben die Grünen und Grünliberalen die Parlamentswahlen gewonnen. Noch grösser ist die Überraschung bei den Wahlen in die Zürcher Regierung. Mit dem nahezu unbekannten Martin Neukom schaffen die Grünen den Wiedereinzug in den siebenköpfigen Regierungsrat, auf Kosten eines FDP-Sitzes.
Man wählt lieber Original als Kopie
Das ist eine Sensation. Erstmals in der Geschichte des Kantons ist die einst mächtige freisinnige Partei nur noch mit einem Sitz im siebenköpfigen Regierungsrat vertreten. Die Konsequenz der Grünen hat sich ausbezahlt. Die Partei hatte den Klimawandel im Fokus und auch ihr Kandidat, Martin Neukom war ein klarer Klimakandidat. Er arbeitet als Ingenieur in der Solarforschung und war somit für die Wählenden offenbar der Kandidat der Stunde.
Auch im Parlament haben die bürgerlichen Parteien deutlich Federn gelassen. Am meisten verliert die SVP. Mit einem Wählerverlust von 5.5% bleibt sie zwar stärkste Partei, fällt aber auf das Niveau von 1995 zurück. Die Niederlage der stärksten Partei hat sich abgezeichnet, bereits bei den Gemeindewahlen vor einem Jahr musste die SVP Sitzverluste hinnehmen. Ihre Themen Migration und Europa haben die Wähler nicht an die Urne gelockt.
Überraschender ist aber eigentlich die Niederlage für die FDP. Die Partei hatte bis zu den Zürcher Wahlen das Siegerimage. Dieses wurde nun – mindestens vorderhand – gestoppt. Dass die Partei am Schluss auch noch versuchte, sich ein grünes Mäntelchen anzulegen, hat die Wähler anscheinend nicht überzeugt. Man wählt lieber das Original. Dies bekam auch die SP zu spüren. Sie verliert zwar nur leicht, konnte aber von der grünen Welle ebenfalls nicht profitieren.
Die Lehren für die eidgenössischen Wahlen
Zürcher Wahlen sind immer auch ein Test für die Nationalratswahlen. Bereits seit 40 Jahren gilt: Wer die Zürcher Wahlen gewinnt, gewinnt auch national und umgekehrt.
Grüne und Grünliberale dürften deshalb auch im nationalen Wahlkampf weiter klar auf die Karte Klimawandel setzen. Die bürgerlichen Parteien müssen sich gut überlegen, ob sie die ökologischen Themen auch weiterhin negieren wollen.
Sie stecken aber in einem Dilemma. Missachten sie die Stimmung in der Bevölkerung, drohen ihnen ähnliche Verluste wie in Zürich. Setzen sie aber plötzlich auch auf das Thema Klimawandel, laufen sie Gefahr, dass der Wähler am Schluss doch das Original wählt, nämlich die Ökoparteien Grüne und Grünliberale.