Am 14. Dezember 2018 wurde in Zürich zum ersten Mal für einen aktiveren Klimaschutz demonstriert. Rund 500 Schülerinnen und Schüler blieben damals ganz nach Greta Thunbergs Vorbild dem Unterricht fern und gingen dafür in der Limmatstadt auf die Strasse. Es sollte der Startschuss für eine Jugendbewegung sein, die in der Schweiz in dieser Breite und Hartnäckigkeit bisher unbekannt war. Bereits eine Woche später protestierten in drei weiteren Städten insgesamt knapp 3000 Personen für den Klimaschutz.
Seither fanden schweizweit rund 170 Klimastreiks in über 60 Städten und Ortschaften statt. Fast 400’000-mal insgesamt demonstrierten Menschen in der Schweiz fürs Klima. Die meisten Klimastreiks gab es in Zürich, gefolgt von Bern, Lausanne und Genf. Mit den «Landdemos» eroberte die Bewegung auch kleinere Ortschaften. Den bisherigen Höhepunkt erreichte die Klimabewegung am 28. September: Etwa 100’000 Menschen nahmen an der nationalen Klimademo in Bern teil.
Streikende sind aktiver in der Romandie
In der Romandie zog es relativ zur Bevölkerung mehr Menschen auf die Strasse als in der Deutschschweiz. Stefan Rindlisbacher, Historiker und Forscher für Jugend- und Umweltbewegungen an der Universität Freiburg, erstaunen die Unterschiede zwischen den Sprachregionen nicht: «Historisch zeigt sich bei sozialen Bewegungen meistens eine unterschiedlich starke Mobilisierung zwischen den Sprachregionen.»
Je nach Thema seien Menschen unterschiedlich stark betroffen oder sensibilisiert. «Die Westschweiz ist tendenziell für grenzüberschreitende Themen offener und strebt eher eine internationale Zusammenarbeit an», erklärt Rindlisbacher.
«Es sind definitiv die grössten Jugendproteste in der Schweizer Geschichte», sagt Rindlisbacher. In Bezug auf Häufigkeit und Dauer sei seit den 1980er-Jahren keine Bewegung mehr so aktiv gewesen. Auch global würden die Klimastreiks zu den grössten Protesten der letzten Jahrzehnte gehören.
Bislang handle es sich aber eher um ein europäisches Phänomen – mit wenigen Ausnahmen wie Australien. Insbesondere in den Vereinigten Staaten habe die Bewegung bislang kaum Fuss fassen können. «Dies ist untypisch, da soziale Proteste – vor allem seit den 1960er-Jahren – häufig von den Vereinigten Staaten ausgingen», stellt der Historiker fest.
«Der Zenit ist noch nicht überschritten»
Nachdem die ersten Monate dieses Jahres von besonders vielen Klimastreiks geprägt waren, flaute die Bewegung über den Sommer ab. Seit der nationalen Klimademo gab es nur noch am 29. November, dem «Green Friday», grössere Klimastreiks.
«Der Zenit ist noch nicht überschritten», glaubt Rindlisbacher. Vielmehr hätten soziale Bewegungen verschiedene Phasen, in denen sie entweder nach aussen aktiver seien oder sich nach innen konsolidieren würden. Die klimaneutrale Gesellschaft läge jedoch noch in weiter Ferne, daher gäbe es für die Klimajugend keinen Grund sich zurückzulehnen.
Sendebezug: 10vor10, 13.12.2019