Wie hat doch die Gesellschaft den Impfstoff gegen das Coronavirus herbeigesehnt. Zuerst war nämlich gar nicht sicher, ob es gelingen würde, einen Wirkstoff zu entwickeln. Das Warten auf ein positives Zeichen aus den Labors der Impfstofffirmen war schier unerträglich. Fast so, wie wenn Kinder aufs Christkind warten.
Vor genau einem Jahr war es dann auch in der Schweiz so weit. In einem Luzerner Pflegeheim wurde einer 90-jährigen Bewohnerin die erste Dosis des Wirkstoffs gegen SARS-CoV-2 gespritzt. Gross war die Freude und riesig die Erwartungen, die mit der Impfung verknüpft wurden. Man hoffte, dieser erste Stich in den Oberarm einer alten Frau sei nichts weniger als der Anfang vom Ende der Pandemie.
Ein Jahr später wissen wir, diese Hoffnung ist geplatzt, wie so viele Kinderwünsche unter dem Weihnachtsbaum. Die Pandemie grassiert noch immer, wir sind bereits zum wiederholten Mal mit einer neuen Virus-Variante konfrontiert und die Stimmung im Land ist gekippt. Statt hoffnungsvoll ist sie gereizt.
Kritik von allen Seiten für fast alles
Lässt man das vergangene Jahr vor dem geistigen Auge Revue passieren, sieht man eine grosse Entwicklung. Zu Beginn des Jahres standen die Behörden in der Kritik, weil sie zu wenig Impfstoff bereitstellen konnten. Dann wurde das Impftempo bemängelt. Bald formierte sich Widerstand gegen praktisch alles, was von offizieller Seite zur Bekämpfung der Pandemie unternommen wurde.
In diesen Chor stimmten alle ein, Parteien, Kantone, Verbände, jeder mit einer anderen Stimme und anderen Anliegen. Dazu kamen neue Gruppierungen, die mit teils wilden Theorien das Impfen und jegliche Corona-Massnahmen bekämpften. In dieser Kakofonie blieb die Stimmbevölkerung erstaunlich gelassen und stützte an der Urne die Corona-Politik des Bundes gleich doppelt. In zwei Abstimmungen sprach sich jeweils eine satte Mehrheit für das Covid-19-Gesetz aus.
Dass in diesem Jahr nicht alle mit der Corona-Impfung verbundenen Hoffnungen in Erfüllung gingen, hat viele Gründe. Zum Teil waren diese Hoffnungen einfach übersteigert. Immer wieder mussten die Erwartungen korrigiert werden, weil die Wissenschaft im Verlaufe des Jahrs neue Erkenntnisse gewann. Die Hoffnung, eine Corona-Impfung könne das Virus aus der Welt schaffen, zerschlug sich, als man merkte, dass auch geimpfte Menschen Träger und Überträger des Virus sein können.
Der geplatzte Traum der Herdenimmunität
Weil das Virus mutiert und immer wieder neue Varianten hervorbringt, dürfte auch die Auffrischungsimpfung nicht die letzte Impfdosis sein, die man sich spritzen lassen muss. Und selbst wenn es gelingt, die Impfquote in der Schweiz – derzeit beträgt sie 67 Prozent – markant zu erhöhen, die Pandemie wird vorerst nicht verschwinden.
Trotz geplatzter Hoffnungen und aller Kritik zum Trotz; die Impfung ist ein Erfolg. Viele Menschen haben sich dank ihr nicht mit dem Virus angesteckt. Bei anderen nahm die Krankheit einen milden Verlauf. Schaut man auf die Spitäler, stellt man fest, dass Ungeimpfte viel häufiger eine Behandlung brauchen als Geimpfte. Die Impfung trägt also massgeblich zur Entlastung des Gesundheitswesens bei.
Das vergangene Jahr hat uns gelehrt: Die Impfung schafft das Coronavirus nicht aus der Welt. Wir müssen lernen, mit dieser Krankheit zu leben. Dabei können wir weiter darüber streiten, welche Massnahmen im Umgang mit Corona richtig und welche falsch sind. Die Impfung wird bei der Bekämpfung der Pandemie aber weiterhin die wirksamste Waffe bleiben.