Er holte Obdachlose von der Strasse, liess Aidskranke medizinisch betreuen und versuchte, den Drogensüchtigen der Stadt Zürich ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Pfarrer Ernst Sieber war zeitlebens auf der Seite der Schwachen.
Ernst Sieber: vom Bauernknecht zum Theologen
Ernst Sieber kam 24. Februar 1927 in Horgen zur Welt und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Seine berufliche Laufbahn begann er als Bauernknecht. Nachdem er auf dem zweiten Weg die Matura nachgeholt hatte, studierte er Theologie. Der Glaube zu Gott begleitete stets auch seine wohltätige Arbeit, war ihm Antrieb und Kraftquelle.
Seine blosse Tätigkeit als reformierter Pfarrer reichte Ernst Sieber schon früh nicht aus. Er wollte nicht nur fromme Predigten halten, sondern auch konkret etwas bewirken. Die Welt der Bedürftigen verbessern, soweit dies eben möglich war.
So liess Sieber in Zürich in den 1960er Jahren während eines sehr kalten Winters einen alten Bunker umfunktionieren. Zu einer Unterkunft für Obdachlose. Diese Tat machte ihn schweizweit berühmt.
Ernst Sieber half am Platzspitz
Ende der 1980er Jahre nahm sich Sieber den Drogensüchtigen auf dem Platzspitz an. Mit Notschlafstellen, einem spitalähnlichen Aids-Hospiz und Rehabilitationseinrichtungen versuchte Sieber ihnen zu helfen. Sein Engagement dauerte bis ins hohe Alter. Im Frühling 2012 eröffnete Sieber in Zürich-Affoltern «Brothuuse», eine selbstverwaltete Siedlung für Randständige.
Sieber kämpfte stets für die Humanität
Solange es seine Gesundheit erlaubte, war Ernst Sieber selber an der Front tätig. So ging er beispielsweise in eisigen Winternächten durch die Stadt und brachte auf Parkbänken schlafende Obdachlose in seine Einrichtungen. Manche Menschen rettete er so vor dem Erkältungstod. Anderen gab er ein Stück Würde zurück.
Sieber war auch Politker
Immer wieder nutzte Sieber seinen Bekanntheitsgrad, um auf die Menschen in Not aufmerksam zu machen. Seine flammende Reden als EVP-Nationalrat im Bundeshaus waren eigentliche Appelle an die Classe politique zugunsten der Humanität. Oft hielt er dabei sein Holzkreuz in die Höhe und erinnerte daran, dass vor Gott jeder Mensch gleich viel Wert haben.
Doch spätestens der Tod macht alle gleich. Am Samstag ist Ernst Sieber nun zum Herrn zurückgekehrt, wie er es formulieren würde. Er hinterlässt seine Frau Sonja, vier gemeinsame, ein adoptiertes und drei Pflegekinder. Oft haben diese auf ihren rastlosen Ehemann und Vater verzichten müssen. Nun hat Sieber seine Ruhe gefunden. Sein Werk wird in den verschiedenen Institutionen weiter leben.